SZ-Adventskalender:Kleinbeträge zum Überleben

Streichhölzer

Bei einem Auftritt in einem Einkaufszentrum erspielten die "Streichhölzer" der Musikschule Puchheim Geld für den Adventskalender.

(Foto: Günther Reger)

Das Sozialamt Puchheim erhält für Notfälle Geld vom SZ-Hilfswerk. Die Auszahlung wird in Listen dokumentiert. Sie belegen, wie der Adventskalender wirkt und wie nötig er ist

Von Gerhard Eisenkolb, Puchheim

Der SZ-Adventskalender hilft auf vielfältige Weise. Durch die Unterstützung von sozialen Einrichtungen wie dem Alveni-Jugendhaus der Caritas in Fürstenfeldbruck, durch Einzelfallhilfen, wie sie den Menschen gewährt werden, die die Lokalredaktionen der SZ in den kommenden Wochen wieder vorstellen. Aber auch durch Klein- und Kleinstbeträge aus einem Topf für Notfälle, wie sie der Adventskalender dem Sozialamt der Stadt Puchheim und anderen Kommunen zur Verfügung stellt. Auf den ersten Blick mag es verwunderlich klingen, dass gerade durch die Kooperation mit einem Amt Spenden bei den wirklich Bedürftigen ankommen. Wie Klaus Winter, der Leiter des Puchheimer Sozialamts, diese Mittel einsetzt, das sagt viel über die Not einer steigenden Zahl von Menschen im Münchner Speckgürtel und über Lücken im sozialen Netzt aus. Aber auch darüber, wie effektiv der Einsatz dieser Spenden sein kann.

In Listen führt Winter nämlich akribisch auf, für welchen Verwendungszweck jeder Betrag an wen ausgezahlt wird. Unter solchen Kleinstbeträgen erscheinen beispielsweise 23,02 Euro für eine Rentnerin, die vor einer Hüftoperation stand, aber die Rechnung für eine ärztliche Untersuchung zur Dichte ihrer Knochen nicht bezahlen konnte. Ebenfalls einer Rentnerin wurde im vergangenen Jahr eine Rechnung über 18,44 Euro für Putzmittel erstattet. Die psychisch kranke Frau hauste in einem heruntergekommenen Domizil, auf das wohl die Bezeichnung Messi-Wohnung zutrifft. Winter fand zwar jemanden, der dort aufräumte und putzte, aber niemanden, der für die Reinigungsmittel aufkam.

Etwa ein Drittel der Zahlungen aus dem Nottopf geht in Puchheim an alleinerziehende Mütter. In diesem Personenkreis geht oft das Geld vor dem Monatsende aus. Sei es, weil eine Mutter mit den Zahlungen für die Kindergartengebühr, das Essensgeld oder für Spielgeld in Rückstand gerät - oder weil sonstige unaufschiebbare Anschaffungen für die Kinder zu bezahlen sind. Eine unerwartete zusätzliche Ausgabe von 30 oder 50 Euro kann bei Alleinerziehenden oder bei Menschen, die auf Sozialhilfe oder Grundsicherung angewiesen sind, bereits den Monatsetat sprengen. Mit der Folge, dass vor dem Monatsende das Geld für den Kauf von Lebensmitteln fehlt. In solchen Fällen sind Winter und seine Mitarbeiter froh, wenn sie auf Mittel des Adventskalenders zurückgreifen können. Ein solcher finanzieller Notstand bricht bei den Beziehern von Kleinstrenten und anderen regelmäßig aus, wenn sie krank werden und hohe Zuzahlungen für Medikamente anstehen. Wer Grundsicherung bezieht und Schulden abstottern muss, den trifft es besonders hart. Solche Ratenzahlung werden nämlich nicht auf die Grundsicherung angerechnet, sondern sie müssen vom Lebensnotwendigsten abgespart werden.

Da jede Zahlung dokumentiert ist, weiß Winter meist schon beim Lesen des Namens, welches menschliche Schicksal mit einer Auszahlung verbunden ist. Werden Lebensmittel eingekauft, wird häufig der Kassenbeleg mit zu der Akte genommen. Viele der Puchheimer, die beim Sozialamt vorsprechen, versorgen sich zwar mit Lebensmitteln der Puchheim-Eichenauer Tafel, um über die Runden zu kommen. Nur ist hier laut Winter der Andrang inzwischen so groß, dass Bedürftige nur noch alle 14 Tage zur Tafel kommen dürfen und deshalb immer wieder Lebensmittel knapp werden. Braucht ein Alkoholkranker Nahrungsmittel, wird er beim Einkaufen schon mal von einem Mitarbeiter Winters begleitet, damit dieser nicht doch zur Schnapsflasche greift.

Die kleinsten Beträge mit Summen von einigen bis zu 15 Euro dienen dem Kauf einer Bus- oder S-Bahn-Fahrkarte. Das Geld für eine MVV-Karte bekam auch ein 50 Jahre alter Mann, der mittellos dastand, aber zum Jobcenter nach Fürstenfeldbruck musste. Wäre er schwarz gefahren, hätte er 60 Euro Strafe riskiert, was dessen Notlage und damit den psychischen Druck nur weiter erhöht hätte. Zu den Klassikern zählt Winter Stromrückstände, auch hier reicht oft eine kleine Zahlung von 50 bis 100 Euro, damit der Versorger einlenkt und die Sperre aufhebt, auch weil ein Rückzahlungsplan erstellt wurde.

Wie Winter beteuert, kann er mit 1000 Euro bis zu zwanzigmal Menschen helfen, schwierige Situationen zu meistern. Denn auch für viele, denen es lange gut ging, ist der Gang zum Sozialamt oft die letzte Rettung, weiß Winter. Oft genügen eine Scheidung, eine lange Krankheit oder der Verlust des Arbeitsplatzes. Viele dieser Menschen seien ausgenutzt worden oder hätten einfach nur Pech gehabt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: