Puchheim:Kabinenroller und Nierentisch

Ausstellung 50ziger Jahre

Plausch am Kabinenroller (von links): Lydia Bleifuß, Rosmarie Schwaiger, Hanni Eberl, Norbert Seidl und Johann Aichner.

(Foto: Günther Reger)

Eine vom Verein D'Buachhammer zusammengetragene Ausstellung widmet sich den Wirtschaftswunderjahren der Bundesrepublik

Von Peter Bierl, Puchheim

Eine hellblaue Isetta von BMW und ein knallroter Kabinenroller von Messerschmitt empfangen die Besucher vor dem Eingang. Die kleinen Autos sind Symbole jener Wirtschaftswunderjahre, denen die gleichnamige Ausstellung in Puchheim-Ort gewidmet ist. Die Vielfalt an Objekten, die die Veranstalter vom Verein D'Buachhamer zusammengetragen haben, ist imposant und reflektiert ein Warenangebot, das die Kriegs- und Nachkriegsgenerationen seinerzeit beeindruckte. Die historische Einordnung der Objekte ist jedoch sehr knapp ausgefallen.

Die Organisatoren haben vor zwei Jahren begonnen, Gegenstände zu sammeln. Ein öffentlicher Aufruf veranlasste manche, im Speicher zu stöbern und bei Haushaltsauflösungen genau hinzuschauen. Daraus ergab sich eine Fülle an Objekten aus der Zeit zwischen 1950 und den frühen Sechzigerjahren, die thematisch gegliedert präsentiert werden. Es gibt eine Ecke mit alten Möbeln, eine Zweisitzer-Schulbank mit Behältern für Tinte, dazu hölzerne Griffelkästen für die Stifte, ein Sortiment alter Waschmittel, dazu skurril anmutende Dinge wie eine Waschkugel mit Drehkurbel oder einen mechanischen Taschenrechner mit dem Namen "Maximator". Vermutlich eine der ersten deutschen Plastiktüten überhaupt stammt aus dem Laden von Erich Weiss im Dorf. Alte Glasflaschen der Limonaden-Fabrik Daser und ein Akkordeon der Feinmechanik-Firma Hess zeigen, dass nach dem Krieg etliche Industriebetriebe im Altdorf ihren Sitz hatten. Im Hintergrund sind deutsche und englische Schlager zu hören, die Günther Nispel ausgewählt hat. Seit seiner Jugend ist der heute 71-Jährige ein großer Elvis-Fan. Das Programm des amerikanischen Soldatensenders AFN mit Jazz und Swing hat er geliebt, während seine Mutter über die "Negermusik" schimpfte, die während der NS-Zeit verpönt und teilweise verboten war. Die Werbefilme aus der Ära, die im zweiten Ausstellungsraum laufen, vermitteln einen Eindruck vom Zeitgeist. Die Ästhetik erinnert an die Wochenschau des NS-Regimes, statt Blitzkriegen wurden nun neue Autos präsentiert. Die Frau gehört in die Küche an den Herd und soll das Familienoberhaupt verwöhnen, was mit gewissen Pülverchen und Backmischungen bestens gelingt, lautet eine andere Botschaft.

Bei der Vernissage warf Johann Aichner vom Verein D'Buachhamer die Frage auf, was an dieser Zeit so fasziniere. Seine Antwort lautete, dass sie für ihn und andere wohl eine unbeschwerte Kindheit repräsentiere. Zwanzig Jahre vorher gingen Puchheimer Kinder selbst im Winter noch barfuß zur Schule und schönes Spielzeug wie jene filigrane Puppenstube mit beheizbarem Kohleofen, die in der Ausstellung zu sehen ist, war nicht mehr dem Nachwuchs der Reichen vorbehalten. Insofern muss für Zeitgenossen der Eindruck des Schlaraffenlandes entstanden sein. Dennoch gab es im Wirtschaftswunderland viel Armut, etwa unter älteren Bürgern, und die Arbeiter mussten für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall lange streiken. Dass die soziale Marktwirtschaft vor allem ein Mythos war, ließe sich bei dem Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser nachlesen.

Die Ausstellung kann nur einen Ausschnitt bieten, betonte Aichner. Unter den Nierentisch fällt, dass in der Zeit alte Nazis ihre Karrieren in allen Bereichen fortsetzten, während ihre überlebenden Opfer, wenn sie dazu die Kraft hatten, um kärgliche Entschädigungen kämpften. In der Puchheimer Ausstellung muss man sich durch einen Aktenordener mit alten Sitzungsprotokollen und Wahlergebnissen der Gemeinde kämpfen und Bescheid wissen, wenn man solche Aspekte entdecken will. Dann stößt man auf den Namen Gottfried Trepte, vormaliger NS-Bürgermeister von Aubing, der von der Arisierung von Immobilien im Puchheimer Norden profitierte und später in der Kommunalpolitik seines neuen Wohnortes mitmischte.

Dennoch ist die Ausstellung gelungen und wird wegen des Wiedererkennungseffektes sicher ihr Publikum finden. Nicht nur für Nachgeborene hätten die Schätze jedoch eine professionellere Präsentation verdient, die ehrenamtlich aktive Laien nicht immer leisten können. Es fehlen Informationen und Einordnungen. Auf kleinen Schildern finden sich nur knappe Hinweise auf einzelne Exponate, und die Veranstalter können sicher viele interessante Anekdoten erzählen - wenn sie gerade neben einem stehen. Insofern ist Aichners Appell an Bürgermeister Norbert Seidl (SPD), ein städtisches Museum einzurichten, nachvollziehbar. Seidl versprach, dafür zumindest Raum in den neuen Gebäuden des Stadtzentrum zu schaffen.

Die Ausstellung "Wirtschaftswunderjahre" in der alten Schule von Puchheim-Ort ist am Wochenende, 26. und 27. November, von 9.30 bis 16 Uhr zu sehen. Am Donnerstag, 24. November, werden von 19 bis 21 Uhr Führungen angeboten

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