Puchheim:Hartz-IV-Diskussion ohne Betroffene

Die Puchheimer Volkshochschule lädt zu einem Experten-Podium, Leistungsempfänger sind auf der Bühne allerdings nicht vertreten

Von Peter Bierl, Puchheim

Man kann über alles reden, aber nicht mit allen. Ein schöner Grundsatz, wenn es um den Umgang mit Voll-, Halb- und Edelnazis ginge, der in Talkshows und anderen Formaten nicht beherzigt wird, dafür von der Volkshochschule in Puchheim im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion über Armut. Dort findet demnächst eine Podiumsdiskussion über Hartz IV statt aber ohne Hartz-IV-Empfänger und das, obwohl sich eine Betroffene sogar extra angeboten hatte.

In der Reihe "Demokratie - unsere Verantwortung" wird am Donnerstag, 26. April, über Hartz IV gesprochen. Der Titel "Sprungbrett oder Hängematte" suggeriert, die staatliche Reglementierung wäre zum Wohle der Betroffenen und wenn die solche Chancen nicht nutzten, seien sie selber schuld. Dass eine Bundesregierung aus SPD und Grünen mit diesem Kahlschlag einen Niedriglohnsektor etablierte und die Chancen auf Altersarmut dramatisch erhöhte, fällt unter den Tisch. So sei der Titel aber nicht gemeint, betont Claudia Frodien, die Geschäftsführerin der VHS. Vielmehr habe man "mit Absicht einen provokanten Titel" gewählt, um ein breites Publikum anzusprechen. Angelockt werden sollen gerade jene Zeitgenossen, die tatsächlich glauben, Hartz-IV-Empfänger würden sich auf ihre Kosten in einer Hängematte ausruhen. "Wir haben uns das genau überlegt und nicht leicht gemacht", versicherte die Geschäftsführerin der VHS.

Die Besetzung des Podiums ist weniger provokativ ausgefallen. An diesem Abend diskutieren Claudia Baubkus, Geschäftsführerin des Jobcenters Fürstenfeldbruck, Karin Lohr, Geschäftsführerin von BISS - Bürger in sozialen Schwierigkeiten e.V. sowie Karl-Heinz Bitsch, Geschäftsführer von "Pack ma's", einem Verein für soziale Dienstleistungen, miteinander. Weil kein Betroffener dabei ist, meldete sich im Januar Bettina Kenter-Götte, die jahrelang immer wieder zu den Hartz-IV-Empfängern zählte und einschlägige Erfahrungen mit der Brucker Behörde gesammelt hatte. Sie hätte den Abend in Puchheim mit Geschichten aus dem wahren Leben anreichern können.

Bloß lehnte die Volkshochschule ihr Angebot dankend ab. "Wir planen sehr weit im Voraus und das Programm war im Januar schon fertig", sagt Frodien. Sonst hätte die vormalige Betroffene "selbstverständlich" auf dem Podium Platz nehmen können. Auf die Frage, warum die Veranstalter nicht von vorneherein einen Hartz-IV-Empfänger eingeplant hatten, sagte die Geschäftsführerin, man habe vermeiden wollen, dass sich jemand öffentlich exponiert und damit Anwürfen aussetzen könnte. Im Übrigen seien die Betroffenen durchaus vertreten, durch die Vertreter der zwei Vereine, die für die Zielgruppe eintreten. Obendrein könnten sich Hartz-IV-Empfänger ja in der Diskussion aus dem Publikum melden.

Womit sie allerdings der Gefahr von Anwürfen ausgesetzt wären, vor der die VHS die Armen schützen wollte, in dem sie sie vor dem Podium bewahrt. Die Volkshochschule könnte auf ein Verfahren der Stadt zurückgreifen. Auf einer Bürgerversammlung zur umstrittenen Geothermie durften die Bürger lediglich Fragen auf Zetteln notieren und abgeben. Zur Befriedung hat das allerdings nicht beigetragen. Manchmal ist es besser, mit fast allen über vieles zu reden.

"Hartz IV - Sprungbrett oder Hängematte?", Donnerstag, 26. April, 19 Uhr im Bürgertreff der Volkshochschule Puchheim, Am Grünen Markt 7.

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