Puchheim:Die verlorene Zeit

Ausstellung/Lesung

Der Schauspieler Till Firit liest Passagen aus einem Buch von Einrichtungsleiter Thomas Behr.

(Foto: Reger)

Nachdenkliche Ausstellung in Puchheim

Von Katharina Knaut, Puchheim

Die melancholischen Klänge eines Klaviers und einer Flöte begrüßen die Besucher, die das Seniorenzimmer der Diakonie betreten. Der Raum ist gut gefüllt, über dreißig Menschen haben sich anlässlich der Eröffnung der Fotoausstellung "Zeit-Zeichen" versammelt. Die Musik bildet die passende Untermalung zu dem sehr nachdenklichen Thema, mit dem sich Giuseppe Tore, Künstler und gleichzeitig Koch des Pflegeheim Haus Elisabeth, und Thomas Behr, Leiter der Einrichtung, beschäftigt haben. Zusammen entwickelten sie zeitkritische Installationen, die nun als Fotografien im Seniorenzimmer ausgestellt sind. "Mit dem technischen Fortschritt hat man das Gefühl von Geselligkeit nicht mehr", erklärt Tore. "Ich sehe das an meinen Kindern. Vor lauter Computer sind sie teilweise gar nicht mehr ansprechbar." Die Fotografien beschäftigen sich daher vor allem mit dem Thema Zeit. Zeit, die zu schnell verfliegt, Zeit, die man für bestimmte Dinge nicht mehr hat. Verdeutlicht wird das auf den meisten Fotografien durch eine altmodische Taschenuhr an einer Kette, die Tore und Behr mit jeweils anderen Gegenständen arrangiert haben. Das Bild, auf dem vor die Uhr ein Schneckenhaus gesetzt ist, gefällt Behr am besten. "Es zeigt das mäßige Tempo der Schnecke im Gegensatz zu dem Ständigen Zeitdruck."

Passend zum Thema sind die Fotografien in gedeckteren Farben gehalten, nur vereinzelt sieht man hellere Stellen, wenn die Installation mit einer Lampe beleuchtet wurde. Die Fotografien verleihen der Veranstaltung die passende Atmosphäre und versetzen die Besucher in die richtige Stimmung für die Lesung des Buches "Stürmische Zeit - Wohin treibt die Menschheit?", von Thomas Behr, die anlässlich der Eröffnung stattfindet. Behr entwickelt darin anhand verschiedener Beiträge die These, dass die Menschheit mit ihrem Schaffen sich und die Erde langsam aber sicher zugrunde richtet, sollte sich nicht etwas ändern. Der Schauspieler Till Firit trägt die Absätze klar und in nachdenklicher Stimmlage vor. Die Zuhörer lauschen andächtig, einige haben sich sogar auf dem Boden versammelt, da nicht genügend Stühle vorhanden sind. Es ist ein Vortrag, der nachdenklich stimmen soll.

Der Text steht im engen Verhältnis zu den beiden Installationen, die neben den Fotografien ebenfalls aufgestellt sind. Eine davon zeigt einen zerstörten Computer, die andere einen Arm, der neben rostigen Eisenstangen aus einer mit Moos befüllten Schale ragt. Die Installationen üben Kritik an der Digitalisierung und zeigen die negativen Auswirkungen auf die Menschheit.

Ziel sei es, die Menschen zum Nachdenken anzuregen, erklärt Behr. Ein Ziel, das er zumindest am Tag der Eröffnung erreicht. Die Besucher hegen gemischte Gefühle gegenüber den zeitkritischen Ansichten Behrs und Tores. "Es ist nur eine Seite ausgestellt", bemerkt ein Besucher über die Installationen. "Es gibt doch auch schöne Dinge auf der Welt!" Auch Bürgermeister Norbert Seidl, der Schirmherr der Ausstellung t, äußert einige Konterpunkte, vor allem an Behrs Ansichten. Seiner Meinung nach lasse Behr zwei Fakten außer Acht: Den Überlebenswillen und die Vernunft des Menschen. "Warum sollten sie diese Fähigkeit verlieren?" Einigen Besuchern finden jedoch Gefallen an der Kunst. "Es hat mich sehr bewegt", meint eine Frau. Ihr gefällt vor allem die Installation, bei der der Arm aus dem Moos ragt. "Sie zeigt, dass sich die Natur immer ihren Weg bahnt." Auch einige der Fotografien finden Interessenten, ein paar werden noch während der Eröffnung verkauft. "Es ist ein überwältigendes Gefühl", meint Tore. "Ich möchte die Menschen mitnehmen und ihnen etwas Gutes tun." Gerade das Thema der verschwindenden Zeit sei ihm persönlich wichtig. "Ich habe mir eine alte Bahnhofsuhr in mein Büro gehängt und die Zeiger entfernt. Viele fragen: was ist denn das für eine komische Uhr? Ich sage dann: Ich möchte nicht sehen, wie die Zeit vergeht."

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