Puchheim:Die nächste Runde im Krähen-Kleinkrieg

Lesezeit: 3 min

Seit vier Jahren versucht die Stadt, mit Aktionen die Zahl der geschützten Tiere zu dezimieren. Erreicht hat sie das Gegenteil. Nun fordern 700 Bürger, die Vögel mit dem Einsatz von Falken zu verscheuchen

Von Peter Bierl, Puchheim

Mehr als 700 Puchheimer fordern in einem Antrag an die Stadt, die Saatkrähen umzusiedeln, die im Bereich des Friedhofes Schopflach nisten. Durch den Einsatz von Falken sollen die Krähen an einen Standort verscheucht werden, an dem sie Menschen nicht stören. Im Sommer fand dazu ein Runder Tisch statt, an dem eine Vertreterin der Bürger beteiligt war, sowie ein Expertengespräch. Der Stadtrat hat am Dienstag keine weiteren konkreten Maßnahmen gegen die Vögel beschlossen. Das Umweltamt soll bei der Höheren Naturschutzbehörde sondieren, was die Regierung genehmigen würde.

Das Problem ist heikel. Auf der einen Seite stehen aufgebrachte Bürger, deren Wut sich bereits vor fünf Jahren auf einer Anwohnerversammlung im Rathaus gegen Vertreter der Regierung richtete. Die Anwohner in der Allinger und Egenhofener Straße sowie am Ihleweg klagen über enormen Lärm und Kot. Angeblich würden Krähen inzwischen sogar schon in Gruppen Passanten angreifen. Auf der anderen Seite stehen die Saatkrähen unter Naturschutz. Sollten die Vögel zum Abschuss freigegeben werden, fürchten die Kommunalpolitiker den Protest von Umweltverbänden. Der Stadtrat ist gespalten. Max Keil (UBP) sprach von einer Plage, die sich schon nächstes Jahr zu einer "Invasion" und am Ende zur "Katastrophe" auswachsen könnte. "Die Natur ist extrem aus den Fugen geraten", findet er. Eine "Dezimierung" der Tiere sei daher unumgänglich.

Dagegen warnte der Fraktionssprecher der Grünen, dass falsche Maßnahmen den Selbsterhaltungstrieb der Vögel anstacheln und zu weiterer Vermehrung führen könnten. "Die Frage ist, wie stellen wir ein Gleichgewicht her", sagte Manfred Sengl. Es bestehe die Gefahr, dass ganz Puchheim mit Splitterkolonien überzogen wird. Ramona Weiß (CSU) rügte, dass die Höhere Naturschutzbehörde der Stadt nicht mit Rat und Tat zur Seite stünde.

Seit 2012 versucht die Stadt mit Lärmklatschen, Luftballons sowie dem Zerstören von Nestern der Lage Herr zu werden. Dafür wurde viel Geld ausgegeben, aber es hat nichts gefruchtet. Dafür sind bereits sieben Splitterkolonien entstanden. Die Saatkrähen, die sich in Gernlinden und Germering niedergelassen haben, stammen vermutlich ebenfalls aus Puchheim. In der Sitzung berichtete Sigrun Matthes (SPD) von weiteren Nestern zwischen Tannenstraße und Sportzentrum. Damit würden sich die Krähen jetzt auch nördlich der Bahn niederlassen, stellte Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) fest, der darüber hinaus eine Zunahme der Elstern und Tauben in der Stadt beobachtet.

Die Zahl der Saatkrähen-Brutpaare ist stark angestiegen von acht im Jahr 2008 auf inzwischen etwa 330, berichtete Monika Dufner vom Umweltamt. Die Regierung hat genehmigt, im Frühjahr und im Herbst jeweils Nester zu entfernen. Dufner vermutet, dass die Behörde inzwischen selbst den Abschuss von Tieren oder die Beseitigung von Eiern nicht mehr strikt ablehnen würde. Abschüsse müssten mit den Jägern abgestimmt werden.

Dufner entwickelte drei Szenarien für das weitere Vorgehen. Eine Möglichkeit wäre, durch Vogelnetze und das Entfernen von Nestern und Eiern die Splitterkolonien zu zerstören und die Hauptkolonie am Friedhof stabil zu halten. Auch eine Drohne könnte eingesetzt werden, ein sogenannter Bioraptor, der die Geräusche von Greifvögeln ausstößt. Die Alternative wäre eine Umsiedlung der Saatkrähen durch einen Falkner. Der Einsatz müsste mindestens fünf Jahre lang wiederholt werden und würde jedes Mal etwa 25 000 Euro kosten. Es bestünde die Gefahr, dass sich neue Splitterkolonien bilden. Alternativstandorte wie die Moosschwaige oder der Parsberg seien weit entfernt. Am Parsberg brauche man obendrein Vereinbarungen mit Waldbesitzern und Landwirten, denen der Grund gehöre. Das Wäldchen im Südwesten am Kreisverkehr an der Eichenauer Straße, das die Bürger vorschlagen, wäre geeignet, sei aber zu klein. Die dritte Variante wäre, die Saatkrähen einfach in Ruhe zu lassen, erklärte die Biologin Dufner. Die Stadt Jever habe damit positive Erfahrungen gemacht. Die Population habe sich stabilisiert und wachse nicht mehr.

Dringenden Handlungsbedarf sah jedenfalls der SPD-Fraktionsvorsitzende Jean-Marie Leone. Notwendig sei allerdings ein Gesamtkonzept. Darum solle das Umweltamt alle Vorschläge der Höheren Naturschutzbehörde vorlegen. "Wir müssen wissen, was machbar ist und was nicht." Der Bürgermeister warnte vor "Hauruck-Aktionen", die zu einer "Verschlimmbesserung" führen könnten. Alle drei Szenarien hätten ihre Berechtigung und man müsse nach der Methode von Versuch und Irrtum vorgehen.

© SZ vom 29.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: