Puchheim:Der Bahn-Aktivist

Der Bahn-Experte Ralf Wiedenmann aus der Schweiz bzw. Puchheim

Ralf Wiedenmann ist Vorsitzender der eidgenössischen Interessengemeinschaft Töstallinie und meldet sich auch in seiner Heimatstadt noch oft zu Wort.

(Foto: oh)

Der im Landkreis aufgewachsene Ralf Wiedenmann engagiert sich bis heute von der Schweiz aus für die Pendler

Von Peter Bierl, Puchheim

Lokführer wollte Ralf Wiedenmann nie werden, bestenfalls Trambahnfahrer. Gleichwohl hat ihn die Eisenbahn schon in früher Kindheit fasziniert. Seine Oma wohnte in Laim in einem Gebäude im vierten Stock nahe der Gleise. Aus dem Fenster ihrer Wohnung sah er gerne den Zügen zu, die dort entlangfuhren. Heute engagiert er sich für eine bessere Bahn: Wiedenmann ist Präsident der Interessengemeinschaft Töstallinie, dem Fahrgastverband einer Regionalbahn bei Zürich. Als gebürtiger Münchner und langjähriger Bewohner Puchheims mischt er mit Vorschlägen und Kritik in der Debatte um das Münchner S-Bahn-System und den Ausbau der S 4 mit.

Wiedenmann kennt die Sorgen und Nöte der Pendler. Er ist gestählt durch jahrelange eigene Erfahrungen, aber auch wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema. Er ist 1961 in München geboren und in Fürstenried aufgewachsen. Als er 14 Jahre alt war, zog die Familie nach Puchheim. Wiedenmann besuchte das Klenze-Gymnasium und musste dazu mit der Bahn fahren und in München anfangs am Stachus in die Tram, später am Marienplatz in die U-Bahn umsteigen, um zum Harras zu gelangen. Nach dem Abitur studierte Wiedenmann Volkswirtschaft und ging für ein Aufbaustudium über Regional- und Verkehrspolitik an die Universität von Canterbury in England. In seiner Masterarbeit verglich er öffentliche Verkehrssysteme in Deutschland mit denen im Vereinigten Königreich. Dabei zeigte sich, dass die Deutschen bei den Verbundsystemen mit einheitlichen Tarifen die Nase vorne hatten. Auf der Insel waren derweil gerade die desaströsen Privatisierungen der Thatcher-Ära vor allem bei den Fernverbindungen abgeschlossen worden. 1988 zog Wiedenmann in die Schweiz und promovierte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Heute arbeitet er für eine Bank, wie es sich für einen Ökonomen in der Schweiz gehört. Nach Puchheim fährt Wiedenmann regelmäßig, weil dort seine Mutter wohnt, und gelegentlich diskutiert er an seinem alten Heimatort auf Veranstaltungen zur Bahnmisere mit. Er wohnt in Zell, einem Vorort von Winterthur, und fährt jeden Tag mit der Bahn nach Zürich in die Arbeit. Über einen Pendlerkollegen kam er zum Fahrgastverband Töstallinie, den er inzwischen als Vorsitzender leitet. In der Schweiz können solche Initiativen sogar bei der Gestaltung der Fahrpläne mitreden. Regelmäßig finden regionale Konferenzen statt, an denen Verkehrsunternehmen und Gemeinden beteiligt sind, wobei letztere gerne die Kompetenz von Fahrgastverbänden nutzen. In dieser Funktion kann Wiedenmann mitreden, wenngleich er kein Stimmrecht hat.

Soviel Beteiligung wäre in Deutschland undenkbar. Wiedenmann nervt schon die Intransparenz. "Die spielen nicht mit offenen Karten", rügt er. Gemeint sind die Bahn AG, aber auch die staatlichen Stellen. Wiedenmann durchforstet regelmäßig die einschlägige Literatur, die Gutachten, Pläne, Stellungnahmen und Ankündigungen der Bahn AG, der Ministerien und Politiker, schreibt offene Briefe an Abgeordnete, hakt nach, weist auf Schwachstellen und Widersprüche hin. Er sieht es als Interessenvertretung der Pendler, aber auch als Hobby. Die Verhältnisse in Deutschland seien alles andere als optimal - die Kompetenzen aufgesplittert zwischen Bund, Ländern und Bahn AG. "Die Schweizer sind fleißige Bahnfahrer, und pro Kopf wird mehr in den Schienenverkehr investiert als in Deutschland", sagt er. Auch in Österreich, Frankreich und Großbritannien werde mehr für die Infrastruktur ausgegeben, betont der Experte.

Die S 4 sei hingegen schon in seiner Schulzeit "stiefmütterlich" behandelt worden. Im Winter gab es immer Probleme. Manchmal wurden S-Bahnen durch Lokomotiven und sogar Gepäckwagen ersetzt. In die Zeit fällt auch sein erstes Engagement für eine bessere Bahn: Der Gymnasiast sammelte 1978 Unterschriften für einen dichteren Takt. Damals fuhr die S-Bahn nur alle 40 Minuten. Ob es fünfzig Jahre später einen Zehn-Minuten-Takt geben wird, ist fraglich.

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