Puchheim:Bierzelt-Bewerbung

Mit launigen Fragen moderiert Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl einen politischen Stammtisch mit den Bundestagskandidaten. Die Besucher diskutieren mit

Von Heike A. Batzer, Puchheim

Norbert Seidl stimmt erst einmal laut ein "Prosit" an. Das gehört zu einem bayerischen Festzelt wie das Bier im Masskrug, den die Besucher daraufhin reflexartig zum Anstoßen erheben. Am Sonntag, dem letzten Tag des Puchheimer Volksfestes, sind die Bundestagskandidaten aus dem Wahlkreis Fürstenfeldbruck/Dachau zum politischen Stammtisch gekommen, den die Stadt zusammen mit der Süddeutschen Zeitung veranstaltet hat. Knapp hundert Besucher, überwiegend Parteigänger, füllen die ersten beiden Reihen im Festzelt, um die Bewerber Katrin Staffler (CSU), Michael Schrodi (SPD) und Andreas Schwarzer (FDP) live zu erleben. Beate Walter-Rosenheimer (Grüne) muss wegen einer Erkrankung ihr Mitwirken kurzfristig absagen.

Das ist schade, weil sie unter den Bewerbern die einzige ist, die schon im Bundestag sitzt, und weil das Podium auf der Bühne im großen "Himmel-der-Bayern"-Festzelt nun nicht mehr paritätisch zwischen Männern und Frauen besetzt ist. Stadtrat Manfred Sengl, der vor fünf Jahren noch gegen Seidl um das Amt des Puchheimer Bürgermeisters kandidierte, darf daraufhin den Ersatz für seine Parteifreundin geben und grüne Positionen darlegen. Vor allem aber die Besucher sollen sich einbringen. Die Veranstaltung sei "ein Format, das über das Publikum lebt", sagt Seidl und fordert die Anwesenden gleich zu Beginn auf, "sich zu melden, zu klatschen, ,buh' zu rufen, zu jubeln". Es bleibt, so viel kann man vorwegnehmen, gesittet, wenngleich manche Aussagen der Politiker tatsächlich Applaus, andere auch mal Pfiffe hervorrufen. Christian Hufnagel, Teamleiter der Fürstenfeldbrucker SZ, stellt im Publikum die Fragen, Bürgermeister Seidl nimmt auf dem Podium Platz, seinen grauen Janker legt er im warmen Festzelt gleich mal ab.

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Das Podium beim SZ-Forum (von rechts): Andreas Schwarzer, Michael Schrodi, Moderator Norbert Seidl, Katrin Staffler, Ersatzmann Manfred Sengl.

(Foto: Günther Reger)

Der zwar sehr zeitige Wahlkampfauftakt zur Bundestagswahl Ende September kommt dafür ziemlich launig daher. Das liegt zuvorderst am ehemaligen Lehrer Norbert Seidl, der sich nicht als Stichwortgeber für Politikerfloskeln versteht, sondern schnell den Unterhaltungswert der Veranstaltung erkennt und die Puchheimer Tradition des Bürgermeister-Moderators seines Vorgängers Herbert Kränzlein fortsetzt. Warum sie denn ihren Namen nicht behalten habe, fragt er die CSU-Kandidatin Katrin Staffler, die noch als Katrin Mair nominiert wurde, zwischenzeitlich geheiratet hat, aber noch immer ein personalisiertes Notizbuch mit sich trägt, auf dem ihr Mädchenname eingraviert ist. Ihr Ehemann Emanuel Staffler, Gemeinderat von Türkenfeld und Kreisrat, sitzt unter den Zuhörern und darf sich darüber freuen, dass "der Name Staffler so schlecht auch nicht" sei, wie seine Ehefrau lachend anmerkt. Man müsse nicht alles der Politik unterordnen, sagt sie noch, und dass sie der Ansicht sei, eine Familie solle einen gemeinsamen Namen haben.

Dass er ein Mann der SPD ist, lässt sich Diskussionsleiter Seidl nicht anmerken. Er bemüht sich um Neutralität, fügt aber mit einem Grinsen an, "am Donnerstag viel Entgegengekommen gegenüber der CSU gezeigt" zu haben, als deren Minister Markus Söder im Bierzelt sprach. Dann leitet er über zu seinem Parteikollegen Michael Schrodi und dem aktuellen "SDP-Höhenflug", der für die Partei "ungewohnt" sei. Schrodi kontert: "Dann gewöhn' dich dran!" Weil SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz Themen setze, wie ein sozial gerechteres Deutschland und Europa zu erreichen sei, würden die Menschen wieder zur SPD kommen - als Wähler und als Mitglieder. "Die Glaubwürdigkeit spielt eine Rolle", sagt Schrodi: "Partei, Person und Inhalt müssen stimmig sein."

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Christian Hufnagel, Teamleiter der SZ in Fürstenfeldbruck, greift die Beiträge aus dem Publikum auf.

(Foto: Günther Reger)

Deshalb Seidls Frage an Katrin Staffler: "Wie verbraucht ist Angela Merkel?" Man sehe ihr an, dass sie noch viel erreichen wolle, antwortet Staffler. Unten im Publikum ist ein Raunen zu vernehmen. Nicht alle sind dieser Meinung. Petra Weber zum Beispiel. Es sei besser, sagt die SPD-Stadt- und Kreisrätin aus Puchheim, "wenn jemand neue Impulse setzt - egal in welcher Partei". Staffler bleibt dabei, die Kanzlerin in Schutz zu nehmen. Lange habe man deren "überlegte und bedachte Art gelobt und jetzt heißt es plötzlich, sie wolle keine Politik mehr machen". Hernach, als FDP-Kandidat Schwarzer an der Reihe ist, begrüßt Seidl noch den einzigen FDP-Bürgermeister im Landkreis, Peter Münster aus Eichenau. Der muss den Verzehr eines Obatzdn kurz unterbrechen, um sich zu bedanken, dass er unter den Bürgermeistern gut aufgenommen worden sei, und dass für ihn die Frage die wichtigste sei, wie man das Land und die Gemeinde voran bringe. Schwarzer wird dann anführen, dass er ein Comeback der FDP im Bundestag für sicher hält, dass er statt der zweiten Stammstrecke lieber "einen Süd- oder eventuell Nordring" gehabt hätte, dass die Maut "ein bürokratisches Monster" sei, das keine Entlastung für die Bürger bringe. Wie soll eine steuerliche Entlastung dabei aussehen, ohne dass er sich ein größeres Auto kaufen müsse, fragt FDP-Mitglied Christian Tietgen. Er fahre ein Hybridauto und zahle derzeit nur 30 Euro Steuern dafür. Ein bisschen kabbeln sie sich noch wegen der Maut. Katrin Staffler verteidigt sie: "Wir müssen in Österreich und Italien auch zahlen." Michael Schrodi glaubt: "Es wird nichts übrig bleiben."

Dann geht es um Steuern und Gerechtigkeit. Die FDP sei gegen Substanzsteuern wie die Vermögens- oder Erbschaftssteuer, bekräftigt Schwarzer: "Wir wollen Ertragssteuern." Der Staat solle nicht so sehr ins Leben der Bürger "hineinregeln", sondern die Bürger sollten mehr Selbstverantwortung übernehmen. "Wir brauchen eine gerechtere Besteuerung", fordert Michael Schrodi und Katrin Staffler will "den Bürgern was in der Tasche belassen".

Nach der Pause dürfen die Gäste im Festzelt noch mit Ja- und Nein-Zetteln abstimmen, ob sie die Rente für sicher halten, ob Hartz IV richtig war, ob bei einem Monatsgehalt von 100 000 Euro Schluss und ob Kindergärten kostenlos sein sollen. Die Bundestagsbewerber dürfen sich dann noch ins Buch der Stadt Puchheim eintragen und Oskar und Emma Schrodi dürfen endlich nach Hause gehen. Die beiden fünf und drei Jahre alten und an diesem Vormittag von Mama, Oma und Opa begleiteten Kinder von Kandidat Michael Schrodi haben lange tapfer ausgehalten. Sie seien erfahrene Wahlkämpfer, sagt nach der fast zweistündigen Diskussion ihr Vater und lacht. Nun aber gehöre der restliche Sonntag der Familie, kündigt er an. Oder vielleicht doch nicht? Am Nachmittag spielten die Münchner Löwen. Und Schrodi ist eingefleischter Fan.

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