Puchheim:Autos ohne Ende

Laut einer Studie kann die Stadt gegen die zunehmende Verkehrsbelastung nur wenige Maßnahmen ergreifen: Die Bürger sollen radeln, die Alten sich Lebensmittel ins Haus liefern lassen und Kinder zu Fuß in die Schule gehen

Von Peter Bierl, Puchheim

Gegen die wachsende Autolawine kann Puchheim wenig ausrichten. So lautet das Fazit einer Studie, die den Stadträten am Dienstag im Planungsausschuss vorgestellt wurde. Die Einwohnerzahl wird steigen, die S-Bahn nicht ausgebaut, neue Straßen würden noch mehr Autos anlocken oder die Belastungen nur verlagern. Chancen sieht Verkehrsplaner Robert Ulzhöfer in einer Palette von kleinen Maßnahmen. Dazu gehört, das Radeln attraktiver zu gestalten, das Busnetz zu verstärken, die Kinder zu animieren, zu Fuß zur Schule zu gehen und den Alten die Lebensmittel von Fahrradkurieren liefern zu lassen.

Das Büro Stadt-Land-Verkehr aus München hatte 2015 zunächst das Verkehrsaufkommen in Puchheim untersucht. In einem zweiten Schritt hatten die Experten durchgerechnet, was verschiedene Maßnahmen bringen könnten. Zu den Ergebnissen der Untersuchung gehörte, dass die Puchheimer zwar pro Hundert Einwohner weniger Autos besitzen als im bayerischen Durchschnitt (60 zu 74), aber deutlich öfter mit dem Wagen unterwegs sind. Ein Lichtblick ist, dass die Puchheimer ein Fünftel ihrer Fahrten mit dem Rad erledigen, verglichen mit 17 Prozent in München.

Der Studie ist auch zu entnehmen, dass sich allerlei Schleichverkehr entwickelt hat: Pendler aus Eichenau, Gröbenzell und Olching fahren auf den Nebenstraßen entlang der Bahn nach Pasing, Autofahrer aus dem Süden meiden die Staus auf der Lindauer Autobahn und im Aubinger Tunnel und fahren durch Puchheim nach Nordwesten. Wenn die Stadt nichts tut, wird der Verkehr einfach weiter wachsen, allein schon weil die Einwohnerzahl in den nächsten 17 Jahren durch Neubaugebiete und Nachverdichtung um etwa 3500 zunimmt, was etwa der Größe Grafraths entspricht.

Man könnte flächendeckend Tempo 30 einführen, außer auf der Kreisstraße FFB 11 und auf der Staatsstraße nach Eichenau. In der Augsburger Straße im Altdorf könnte man die Ampel so schalten, dass die Durchfahrt länger dauert. Damit ließe sich die Belastung in Wohnvierteln "einfrieren". Ein Ausbau der S-Bahn würde den Autoverkehr um maximal 15 Prozent senken. Nicht gerade viel, aber ohne besseres Zugangebot droht ein Anstieg um bis zu 25 Prozent, warnte der Verkehrsplaner.

Auch die Vorschläge der CSU bringen wenig. Ein Weiterbau der FFB 11 würde die Lagerstraße entlasten. "Wenn man nicht empfindlich ist, könnte man wieder bei offenem Fenster schlafen", meinte Ulzhöfer. Die Trasse liegt aber auf Münchner und Gröbenzeller Flur und die Nachbarn lehnen den Weiterbau kategorisch ab. Ein Autotunnel an der Bahn würde noch mehr Autos anlocken und die Belastung im Zentrum steigern, warnte der Planer. Würde man in Höhe der Edelweißstraße eine Verbindung zwischen Allinger Straße und FFB 11 bauen, wäre das Planieviertel stark entlastet - aber auf Kosten der Anwohner in der Allinger Straße.

Altbürgermeister Erich Pürkner (CSU) verteidigte sein Tunnelprojekt mit einem ausführlichen Plädoyer: Der Bau soll nur klein ausfallen, dass keine Lastwagen und Schwertransporte durchkämen. Man könnte eine Einbahnstraße ausweisen oder eine Ampel aufstellen. "Wenn eine Unterführung für Feuerwehr und Rettungswagen ausgelegt ist, passen auch große Lieferwagen und niedrige Laster durch", gab Ulzhöfer zu bedenken.

Der Verkehrsplaner empfahl viele kleine Maßnahmen. Expressbusse könnten Puchheim-Bahnhof direkt mit Germering verbinden und ins Würmtal fahren, wo überraschend viele Puchheimer arbeiten. Die Tangentialverbindungen zwischen den S-Bahnlinien gelte es auszubauen. In Augsburg veranstalten Grundschulen eine Aktion "Zu Fuß zur Schule", um Kindern zu zeigen, dass es Spaß machen kann, mit Freunden hinzugehen statt im Auto chauffiert zu werden. Nur so ließe sich das allmorgendliche Verkehrschaos im Bereich der Schule Süd in Puchheim vermeiden.

Ulzhöfer suchte auch die Bedenken von Pürkner und dem Verkehrsreferenten Hans-Georg Stricker (CSU) gegen einen Lieferservice für Senioren zu zerstreuen.

Alte Leute könnten ja durchaus selber losziehen, aber ihre Einkäufe von Fahrradkurieren nach Hause bringen lassen. Ulzhöfer berichtete von Neustadt an der Waldnaab mit knapp 6000 Einwohnern. Dort seien zwei Fahrer den ganzen Tag im Einsatz. In Puchheim könnte man sechs bis sieben Langzeitarbeitslose anstellen, rechnete der Verkehrsexperte vor.

Pürkners Antrag, den Planer noch einmal ausrechnen zu lassen, welche Folgen ein kleiner Autotunnel hätte, wurde ebenso zurückgestellt wie ein Paket der SPD-Fraktion. Diese möchte einen Bypass für den Kreisel an der Staatsstraße sowie einen zweiten Bahnübergang aber nur für Radler und Fußgänger. Außerdem soll geprüft werden, ob die Adenauerstraße, die Durchfahrt durch die Planie, nicht als Fläche ausgewiesen werden kann, auf der Fußgänger, Radler und Autofahrer gleichberechtigt sind. Die UBP hatte bereits im Dezember ein neues Konzept für den Radverkehr eingebracht. Ihr Fraktionssprecher Reinhold Koch mahnte, die Grenzen des Wachstums seien eben erreicht. Manuela von Hagen (FW) forderte ein gerechteres Tarifsystem bei der S-Bahn.

Alle diese Vorschläge wurden zurückgestellt. Der Ausschuss folgte dem Rat von Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) und dem CSU-Fraktionsvorsitzenden Thomas Hofschuster, die vielen Ergebnisse der Untersuchung erst einmal in Ruhe zu verarbeiten. Dabei klang die Zwischenbilanz des Bürgermeisters nicht besonders optimistisch: "Es ist keine Katastrophe, aber es wird sich verschlechtern."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: