Puchheim:Allein gelassen in der neuen Heimat

1996 flieht Nasia Azam mit ihren Eltern vor dem Bürgerkrieg in Afghanistan. In Deutschland wird das Studium der heute in Puchheim lebenden 51-Jährigen nicht anerkannt. Sie heiratet, bekommt zwei Töchter, wird geschieden. Da sie beide Kinder erzieht, kann sie nicht Vollzeit arbeiten und benötigt Unterstützung

Von Ariane Lindenbach, Puchheim

Ihre Kinder sind für Nasia Azam das Wichtigste im Leben. Für Giti, 11, und Jasmin, 9, würde die seit Mai Geschiedene alles tun. Der größte Wunsch der 51-Jährigen ist denn auch, "dass ich eine gute Mutter bleibe". Diesen Wunsch kann die in Afghanistan geborene Puchheimerin selbst beeinflussen. Andere Wünsche - es sind vor allem die ihrer Töchter, und diese sind öfter materieller Art - kann Nasia Azam mit ihrem kleinen Einkommen selten erfüllen. "Ich gehe gerne mit den Kindern schwimmen und das kostet viel. Und manchmal wollen sie außer Haus essen. Das ist auch teuer", sagt die zierliche Frau mit den langen schwarzen Haaren und dem gepflegten Äußeren, während sie Wasser, grünen oder schwarzen Tee und Kekse anbietet. Es schwingt kein Selbstmitleid mit, wenn Nasia Azam solche Sätze sagt. Kein bedauernder Unterton weißt darauf hin, in was für einer schrecklichen Lage sie sich doch befindet. Weil sie mit dem eigenen Einkommen nicht genug Geld hat, um ihre Töchter angemessen zu unterstützen, ist Azam auf staatliche Unterstützung angewiesen. Für sich wünscht sich Nasia Azams kein Geld. Aber dann fällt ihr doch noch etwas ein: ein Computer. Sie habe zwar einen, der funktioniere aber nicht mehr richtig. Wenn Giti etwas für die Schule macht, muss sie zu den Nachbarn. Mit einem eigenen Rechner könnten die Mädchen sich noch besser auf die Schule konzentrieren. Der SZ-Adventskalender möchte Nasia Asam beim Kauf eines neuen Rechners unterstützen.

Asam ist keine Frau, die sich über ihr Schicksal beklagt und darüber verbittert. Dabei hätte die studierte Bauingenieurin durchaus Grund, sich zu beklagen. Seit sie 1996 nach Deutschland kam, hat sie ihren Beruf mangels Anerkennung von den deutschen Behörden nicht mehr ausüben können. Stattdessen arbeitet sie seit 13 Jahren bei einer großen Supermarktkette in München. Die 51-Jährige ist sehr dankbar für diesen Job, eine Festanstellung, wie sie betont. Dabei könnte sie ebenso gut mit dem Schicksal hadern, damit dass beispielsweise ihre Schwester, die damals ebenfalls nach Europa geflohen ist, hier nun wieder als Gynäkologin arbeiten kann. Doch dieser Typ Mensch ist sie nicht. Wenn sie von ihrer hier praktizierenden Schwester spricht, klingt das stolz und kein bisschen neidisch. "Warum soll ich mir etwas wünschen, was ich sowieso nicht haben kann", fragt sie mit einem Lächeln auf den Lippen und meint damit auch den vermeintlichen Luxus, den sie sich nicht leisten kann.

Puchheim: Um ihren Töchtern Giti (links) und Jasmin eine Freude zu machen, hat Nasia Azam (Mitte) den Weihnachtsbaum gekauft.

Um ihren Töchtern Giti (links) und Jasmin eine Freude zu machen, hat Nasia Azam (Mitte) den Weihnachtsbaum gekauft.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

1996 entschlossen sich Nasia Azams Eltern, ihre Heimat zu verlassen. Es herrschte - wieder einmal - Bürgerkrieg, nachdem die russische Armee ihre Truppen Ende der Achtzigerjahre von dort abgezogen hatte. "Wir haben kein schlechtes Leben gehabt", sagt Azam, ihr Vater sei Apotheker gewesen, keiner habe nach Europa gewollt. Doch die Sicherheit war ihrer Familie wichtiger. Wie vielen anderen Afghanen: Im Zuge des 1979 begonnen Kriegs haben fünf Millionen Einheimische ihr Land verlassen. Auch Nasia Azam kennt niemanden mehr in ihrer Heimat, alle Verwandten sind geflohen. Dennoch würde sie dort gerne noch einmal hin, "wenn der Krieg vorbei ist".

Was ist damals nach ihrer Flucht passiert, dass Nasia Azam nun an der Kasse sitzt, während ihre Schwester den erlernten Beruf ausüben kann? "Unser Flug war nach Frankfurt, ihrer nach Wien", erklärt sie mit einem nonchalanten Lächeln. Ihre Schwester floh ein paar Monate vor Nasia und den Eltern. Während die Drei im Deutschland der Neunzigerjahre immer wieder auf drei Monate befristete Duldungen erhielten und Nasia Azam in den Kriegswirren auch keine Unterlagen von ihrem Studium mitgenommen hatte, hatte die Schwester in Österreich mehr Glück. Und sie hatte ihren Studentenausweis mit.

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Die Neu-Puchheimerin Azam lernte damals bald einen Mann kennen, auch Afghane, dessen Familie in den USA lebt. Sie verliebte sich. "Und ich wollte unbedingt Kinder". Ihre Eltern mit ihrem sehr liebevollen Umgang miteinander seien immer ihr Vorbild gewesen. Nasia Azam heiratete, die Töchter kamen. Doch die Ehe lief nicht gut. "Er hat mich immer allein gelassen", erzählt Azam, im Streit habe er oft für einige Wochen das Haus verlassen - eines mit Garten am Romanplatz in München. Und sie blieb mit den Kindern und ohne Geld zurück. Als dieser Fall wieder einmal eintrat und die Puchheimerin nicht wusste, wie sie die nächste Miete bezahlen soll, wandte sie sich an das Sozialamt - es war der Beginn ihrer Trennung. Auch wenn sie ihren Mann noch heute, drei Jahre später, wieder bei sich aufnehmen würde.

Die Töchter scheinen diesbezüglich ein gesünderes Selbstwertgefühl zu haben. Wie ihre Mutter berichtet, sind die Mädchen so enttäuscht von ihrem unzuverlässigen Vater, der sich manchmal Monatelang nicht meldet, dass sie ihn nun gar nicht mehr sehen wollen. Damit sie sich genug um die beiden kümmern kann, ihnen bei den Hausaufgaben helfen, arbeitet die 51-Jährige nur 15 Stunden wöchentlich. Sie wünscht sich, dass ihre Töchter einmal studieren und dann ihren Beruf auch ausüben können. Giti ist schon auf dem richtigen Weg - sie besucht das Gymnasium.

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