Protestbriefe gegen Flüchtlingsunterbringung:Darf man das?

Protestbriefe gegen Flüchtlingsunterbringung: Der Protest gegen die Belegung von Turnhallen, wie hier in Puchheim, wird lauter.

Der Protest gegen die Belegung von Turnhallen, wie hier in Puchheim, wird lauter.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Im Landratsamt gehen vermehrt Protestbriefe gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen ein, Vater bestehen auf das Recht ihrer Kinder auch Schulsport. Bereichern solche Stimmen die öffentliche Debatte? Ein Pro und Contra.

Heike A. Batzer und Florian J. Haamann

Europa ist für viele Nichteuropäer der Kontinent, auf dem sie gerne leben würden. Und dort am liebsten in Deutschland. Was bislang für die meisten ein Wunschtraum geblieben ist, machen viele nun wahr und ziehen gen Norden. Es ist eine Völkerwanderung im Gange, nicht alle sind Flüchtlinge im herkömmlichen Sinne. Daraus ist eine große Herausforderung für alle Seiten entstanden, die - und das ist unumstritten - größte Hilfsbereitschaft erfordert. Darf man dennoch auch Vorbehalte, Sorgen, Ängste äußern angesichts immer größer werdender Flüchtlingsströme? Ja, man darf. Der öffentliche Diskurs ist essentieller Bestandteil der Demokratie, erst der Austausch unterschiedlicher Meinungen schafft in vielen Fällen die bessere, die beste Lösung.

In der Diskussion um den Umgang mit Flüchtlingen indes hat sich ein seltsames Tabu eingeschlichen. Wer Bedenken vorbringt oder Ängste äußert, dem wird schnell eine bestimmte Gesinnung unterstellt. Dabei lassen sich Aufnahmebereitschaft und Willkommenskultur nicht einfach verordnen. Verständnis muss natürlich der Lage vieler Flüchtlinge entgegengebracht werden, Verständnis muss es aber auch für die Sorgen der Menschen im Landkreis geben: Für den Brucker Landrat, der geäußert hat, dass er nicht mehr weiß, wie das alles zu bewerkstelligen ist und wie und vor allem wo all die Neuankömmlinge in seinem ohnehin an Wohnungsnot leidenden Landkreis untergebracht werden sollen. Für die freiwilligen Asylhelfer, die sich ähnlich wie die Kommunen von der großen Politik nicht ausreichend unterstützt fühlen. Für Eltern, die in Sorge sind, ob es für ihre Kinder auch weiterhin Sport geben wird, wenn in Turnhallen Flüchtlinge wohnen. Für die Sportvereine, denen mit der anderweitigen Nutzung von Sportanlagen nicht weniger als der zentrale Ort ihres Handelns abhanden kommt.

Fürstenfeldbrucks sportaffiner Oberbürgermeister hat die Sorge jetzt ausgesprochen, und das ist gut so. Es ist höchste Zeit, dass darüber geredet und dass nach neuen, tauglicheren Konzepten in der Flüchtlingsfrage gesucht wird. Dazu gehört die öffentliche Diskussion mit dem Austausch aller Argumente.

Heike A. Batzer

Contra: Die Protestierenden sind das wahre Problem

Liebe besorgte Bürger, die Ihr natürlich weder rechts und noch viel weniger fremdenfeindlich sein wollt, man wird doch wohl noch sagen dürfen, dass es einem bei euren Argumentationen hochkommt, ohne gleich als Linksextremer oder Gutmensch abgestempelt zu werden. Wir haben ja auch nichts gegen Eure Aussagen, aber in unserer Nachbarschaft wollen wir so eine Gesinnung eben nicht haben - sie sind uns irgendwie fremd und wir haben Angst, dass wir bald auf der Straße nicht mehr sicher sind. Außerdem befürchten wir, dass Ihr mit Eurer Einstellung unsere liberale deutsche Kultur zerstört. Einige von uns haben mit eigenen Augen beobachtet, wie Ihr Euch in sauberen Klamotten und mit Smartphones in der Hand vor Euren Reihenhäusern darüber auslasst, wie gut es diesen Ausländern hier doch gehe.

Nun also wendet Ihr euch mit Briefen an die Politik, weil Ihr um das Wohl Eurer Kinder besorgt seid, wenn sie ein paar Monate keinen Schulsport treiben können. Ist das Euer Ernst? Stellt Ihr dieses Luxusgut über die Unterbringung von Menschen, die zu uns kommen, weil es in ihrer Heimat nicht einmal mehr Schulen gibt, in die sie ihre Kinder schicken können, dafür aber mehr als genug Bomben und Munition, um sie alle zu töten? Wahrscheinlich meint Ihr das nicht wirklich ernst - und das ist noch schlimmer. Die Flüchtlinge haben Eure Wohlfühlzone erreicht und das stinkt Euch. Ihr behauptet, nichts gegen Ausländer zu haben, aber Ihr wollt sie nicht, weil Ihr dafür einen Bruchteil Eures gemütlichen Lebens umkrempeln müsstet. Einige von Euch mögen tatsächlich nicht fremdenfeindlich sein, mitleidslos seid Ihr allemal.

Darf man nun also keine Bedenken mehr haben? Doch, das darf man, wenn sie ehrlich sind und nicht als Deckmantel der Fremdenfeindlichkeit dienen. Keiner kann absehen, wie sich die Situation entwickelt und welche Herausforderungen sie für jeden einzelnen für uns noch bringt. Aber in Zeiten, in denen Asylbewerberheime angezündet werden, Rechtsextreme vor Unterkünften pöbeln, die SPD von Faschisten bedroht und die Kanzlerin als Volksverräterin beschimpft wird, wäre es angebracht, dem braunen Mob, der sich wieder formiert, nicht den kleinsten Nährboden zu liefern. Denn auch viele einzelne Strohhalme können durch einen Funken zum Flächenbrand werden.

Florian J. Haamann

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