"Planspiel-Stadtratssitzung":Politiker in spe

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Jetzt red i - aber danach dürfen auch alle anderen ihre Meinung kundtun: Schüler des Puchheimer Gymnasiums im Sitzungssaal des Rathauses. (Foto: Johannes Simon)

20 Gymnasiasten beteiligen sich an dreitägigem kommunalem Planspiel

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

Natürlich ist die Konstellation beim "Planspiel-Stadtratssitzung" in Puchheim nicht ganz fair. Vorne am Tisch im Plenarsaal sitzt der erfahrene Puchheimer Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) als Sitzungsleiter und um ihn herum 20 Schülerinnen und Schüler der zehnten Klassen des Puchheimer Gymnasiums, die die Puchheimer Stadtratsfraktionen repräsentieren. Die gespielte Stadtratssitzung ist der Abschluss des dreitägigen Planspiels Kommunalpolitik, das der Kreisjugendring Fürstenfeldbruck initiiert und betreut hat. Alle fünf Fraktionen bringen Anträge in den Stadtrat ein. Doch Seidl quält die Fraktionssprecherinnen ständig mit Nachfragen und Argumenten aus Sicht der Rathausverwaltung, so dass die Behandlung der ersten beiden Anträge fast eine Stunde dauert.

Doch Lara Amling, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, bleibt hartnäckig. Sie möchte, dass in Puchheim zusätzliche 40 Mülleimer angebracht werden, um die "hohe Verschmutzung" zu stoppen und die "Sauberhaltung der Umwelt" in der Stadt zu fördern. Yara Böhlen, Fraktionssprecherin der UBP, bezeichnet den Antrag als "sinnvoll", weil es auch den Ruf Puchheims als Fairtrade-Stadt stärke, so Böhlen. Auch Luna Wiess, SPD-Fraktionschefin, signalisiert Zustimmung. Zumal die Grünen auch den armen Pfandflaschensammlern mit einem vormontierten Pfandflaschenring das Flaschensuchen erleichtern wollen. Das findet auch CSU-Fraktionssprecherin Celine Müller gut und befürwortet ebenfalls den Antrag. Die Freien Wähler sind gleich mit fünf Politikern vertreten, darunter vier eher schweigsame Jungen. Auch hier dominiert mit Lina Westerkamp als Fraktionssprecherin das weibliche Element in der Debatte. "20 Mülleimer würden die Kosten halbieren", sagt sie nachdrücklich und bringt einen entsprechenden Änderungsantrag ein. Das einheitliche Meinungsbild überzeugt Bürgermeister Seidl jedoch noch nicht, noch ist es zu früh für die Abstimmung. Er verweist auf die Investitions- und Folgekosten und darauf, dass mehr Mülleimer auch noch mehr Müll anziehen. "Die Grünen müssten doch für Müllvermeidung sein", sagt er und greift dann den Vorschlag Westerkamps auf. "Reichen 20 Mülleimer?", fragt Seidl in Richtung der Grünen. Amling kontert sofort: "Die Umwelt steht über den Kosten." Zudem schaffe das Ausleeren zusätzliche Arbeitsplätze. Dann lässt Seidl endlich abstimmen. Er votiert mit der Mehrheit gegen 40 Mülleimer. 20 neue Mülleimer mit Pfandringen akzeptiert das Gremium dann mit 18 gegen drei Stimmen.

Nicht nur die argumentationsstarke Lara Amling erwies sich als Nachwuchstalent für eine der kommenden Stadtratswahlen, auch die anderen jungen Frauen bezogen argumentativ eindrucksvoll Position, wenn auch der exzessive Gebrauch des Mode-Füllworts "genau" den Zuhörer genervt haben mag. Dass nicht jeder gut gemeinte Antrag im Stadtrat durchgeht, muss Celine Müller von der CSU erleben. Der zusätzliche Termin fürs Puchheimer Volksfest im Juli findet keine Mehrheit. Andere Fraktionen sind skeptisch und Rathauschef Seidl argumentiert mit der möglichen zusätzlichen Belästigung der Anwohner. Dem Vorschlag von Yara Böhlen (UBP), eine Bevölkerungsumfrage zu einem möglichen zweiten Termin zu starten, stimmt er trotz der geäußerten Vorbehalte zusammen mit der großen Mehrheit zu. So funktioniert Demokratie.

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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