Ortsgestaltung:Warnung vor Flächenfraß-Begehren

Die IHK will den Landverbrauch nicht eindämmen. Stattdessen fordert sie Städte und Gemeinden zu einer besseren Zusammenarbeit und zur innerörtlichen Nachverdichtung auf

Von Heike A. Batzer, Germering

Die anhaltende Diskussion über einen zu hohen Flächenverbrauch hat die Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern (IHK) aufgeschreckt. Sie warnt jetzt vor der Einführung einer Flächenobergrenze, wie es das Volksbegehren "Betonflut eindämmen" wünscht. "Mit einer künstlichen Verknappung der Flächen wird Wohnraum zwangsläufig noch teurer", befürchtet Michael Steinbauer, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Fürstenfeldbruck. Wer "jegliche Entwicklung mit Versiegelung und Betonflut gleich setzt, führt die Bürger bewusst in die Irre".

Die IHK sieht keinen Handlungsbedarf, den Flächenverbrauch zu deckeln. Von einem zubetonierten Landkreis könne in Fürstenfeldbruck keine Rede sein, sagte Steinbauer bei einem eigens zu diesem Thema am Sitz von Cewe Color in Germering anberaumten Pressegespräch. Im Gegenteil: "Der Landkreis Fürstenfeldbruck ist grün." Den gleichen Satz hatten auch seine Kollegen in den Nachbarlandkreisen geäußert. Die IHK thematisiert den Flächenverbrauch derzeit mit einer Kampagne in allen ihren 19 Regionalausschüssen.

81 Prozent der Flächen im Brucker Land zählen entweder zur Natur oder sind landwirtschaftlich genutzt, zitiert die IHK Zahlen des Statistischen Landesamtes aus dem Jahr 2016. Lediglich 1,4 Prozent werden demnach von Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen in Anspruch genommen. Auch sei der häufig verwendete Begriff "Flächenfraß" noch aus einem anderen Grund irreführend, findet die IHK. Flächen könnten nicht einfach verschwinden, lediglich ihre Nutzung würde sich ändern. Die Unternehmen im Landkreis Fürstenfeldbruck würden "sorgsam und effizient mit der Ressource Fläche" umgehen, weiß Steinbauer. Das zeige sich daran, dass sich der Anteil von Gewerbe- und Industrieflächen zwischen 2011 und 2015 nicht verändert hat, während gleichzeitig die Wirtschaftsleistung um fast ein Drittel und die Zahl der Beschäftigten um 17 Prozent zugenommen hat.

Der Boom hält an, deshalb benötigt die Wirtschaft Flächen - für Gewerbe, aber ganz dringend auch für Wohnbau. Eine Unternehmensbefragung, deren Ergebnisse vor ziemlich genau einem Jahr im Landratsamt vorgestellt wurden, zeigte, dass die Firmen die schwierige Verfügbarkeit und das hohe Preisniveau bei Wohn- und Gewerbeflächen im Landkreis als limitierenden Faktor bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Rekrutierung von Personal erleben. Der Landkreis ist "ein starker Auspendlerlandkreis", sagt Steinbauer. Das bedeutet, dass die meisten Menschen zum Arbeiten woanders hinfahren. "Die Verfügbarkeit von Fläche wird immer mehr zum Engpassfaktor und Wachstumshemmnis für unsere Unternehmen," weiß auch Tina Emslander, Abteilungsleiterin Standort und Mobilität bei der IHK. Im Landkreis zeichne sich sogar ein Rückgang verfügbarer Gewerbeflächen ab. Derzeit könnten nur noch die Gewerbegebiete Geiselbullach und Hasenheide-Nord in Fürstenfeldbruck freie Flächen anbieten.

Die Kommunen dürften sich deshalb "nicht länger als Inseln betrachten", fordert Steinbauer, sondern müssten in "Funktionsräumen" denken. Emslander verlangt von den Städten und Gemeinden im Umland von München ein "Großraumdenken". Die Kommunen müssten sich "untereinander besser vernetzen". Deshalb sei ein Flächenmanagement auch bereits für kleine Kommunen notwendig, das Baulücken erschließe, die Umnutzung von Gewerbeflächen möglich mache, Baurecht etwa durch Zusatzgeschosse zulasse und keine Mindestgrößen für Grundstücke in Wohnbaugebieten vorsehe. Außerdem plädiert die IHK dafür, bei genehmigter Bauplanung das Baugebot auch durchzusetzen, um die Bevorratung von Bauland aus spekulativen Gründen zu verhindern.

Die IHK fordert die Politik auf, Anreize über finanzielle Förderungen zu schaffen, beispielsweise für gemeinsame Gewerbeparks. Das gemeinsame Gewerbegebiet der Gemeinden Inning und Wörthsee im Landkreis Starnberg nennt Emslander als gelungenes Beispiel. Doch daran gibt es auch Kritik, allerdings von anderer Seite: wegen seiner Lage am Rande des Naturschutzgebiets Ampermoos.

Mehr interkommunale Zusammenarbeit hatte sich der Landkreis 2013 auch in sein Leitbild geschrieben hat. Schon 2006 sollte der Landkreis Fürstenfeldbruck als Modellregion herhalten für ein bayernweit einmaliges Pilotprojekt zum Flächenmanagement. Doch es wollten nicht genügend Kommunen mitmachen, weshalb das Landesamt für Umwelt damals eine andere Region aussuchte, um den sparsamen Umgang mit Flächen auszuprobieren. Michael Steinbauer ist auch bewusst, dass die einzelnen Kommunen wegen der Gewerbesteuereinnahmen wenig Anreiz zur interkommunalen Zusammenarbeit sehen. Eine Einschränkung der kommunalen Planungshoheit über eine Flächenobergrenze würde die unterschiedlichen Nutzungsarten wie Wohnen, Gewerbe und Freizeit jedoch "unnötig in Konkurrenz zueinander" setzen, warnt Steinbauer. 80 Prozent der Betriebe, die einen neuen Standort suchen, seien "bestehende lokale Unternehmen, die wachsen möchten".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: