Olching:Was die Uhr geschlagen hat

Deutsch-Kurs

Deutsch lernen die jungen Flüchtlinge von Ute Schmid-Prior (links) und mit Hilfe ihrer Paten im Nachmittagsunterricht.

(Foto: Günther Reger)

Für junge Flüchtlinge hat sich das Gymnasium Olching eine besondere Art des Deutschunterrichts ausgedacht. Paten helfen den Migranten

Von Julia Bergmann, Olching

Ute Schmid-Prior hält eine poppig bunte Holzuhr in die Höhe. "Wie viel Uhr ist es?", fragt sie überdeutlich in die Runde der Schüler. Ihr donnert aus über 20 Kehlen ein enthusiastisches "20 nach acht" entgegen. Wo es so etwas gibt? Im Sprachpaten-Projekt "Deutsch im Zentrum", einem Nachmittagsunterricht, der am Olchinger Gymnasium montags bis donnerstags für die rund 50 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge stattfindet, die vor den Toren der Schule in Containern leben.

Dafür, dass die jungen Männer erst seit Kurzem in Deutschland leben, sitzen ihre Sprachkenntnisse erstaunlich gut. Fließend deutsch sprechen sie noch nicht, aber sie saugen jedes bisschen Information auf. Dass sie lernen müssen, um einen guten Job zu bekommen, wissen sie. Die einmalige Chance, die sich ihnen hier bietet, wollen sie nutzen.

In einer zweiten Gruppe sitzen diejenigen, die sich mit der fremden Sprache noch etwas schwerer tun. Gerade wenn es darum geht, neue Aufgabenstellungen zu erklären, fällt es den Flüchtlingen nicht immer leicht zu verstehen, was von ihnen erwartet wird. Die Lehrer müssen kreativ werden, mit Händen und Füßen, Gegenständen und Piktogramm-Karten arbeiten. Einfach ist das nicht immer, aber es lohnt sich.

"Es macht den Lehrern riesen Spaß. Und die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sind wirklich ganz liebe und hochmotivierte Jungs", sagt Sabine Ratberger, die gemeinsam mit Ute Schmid-Prior für die Organisation des Olchinger Lernpaten-Projekts verantwortlich ist.

Bis es allerdings so weit war, dass die jungen Flüchtlinge neben ihrem vom Landratsamt organisierten Sprachunterricht am Vormittag die Zusatzkurse am Olchinger Gymnasium besuchen durften, war es ein langer Weg. Begonnen hat das alles mit der Ankunft der jungen Männer aus Afghanistan und Syrien eine Woche vor Schulbeginn. "Ein P-Seminar zum Thema Flüchtlinge war damals bereits angemeldet", erklärt Ratberger. Schnell war der Gedanke da, dass es doch noch viel mehr geben müsse, was man tun könne. "Wir haben uns gedacht, wenn die Schule wieder anfängt und wir jeden Tag ins Gebäude gehen, kann es doch nicht sein, dass wir jeden Tag an ihnen vorbeigehen und nichts weiter tun", sagt sie. "Gerade weil wir eine Bildungseinrichtung sind."

Schnell war der Kontakt zum Jugendamt, das für die minderjährigen Flüchtlinge zuständig ist, und zum Olchinger Asylhelferkreis hergestellt. "Wir haben geschaut, welche Kontakte wir knüpfen können und zufällig war bei einem vereinbarten treffen mit den Asylhelfern auch ein Jugendtrainer von der JFG Amperspitz da, der gleichzeitig auch Schülervater ist", erzählt Ratberger. Daraus ist später die Fußballmannschaft FC Refugees entstanden. Ein Angebot, dass von den Flüchtlingen gerne angenommen wird. Die Nachfrage nach Sportangeboten ist bei den jungen Männern so groß, dass es mittlerweile bei der JFG Amperspitz auch eine Taekwondo Gruppe und einen Lauftreff für die jungen Flüchtlinge gibt.

An der Schule selbst wurde das One-World-Projekt eingerichtet. Schüler aller Klassen sammelten Sachspenden für die Flüchtlinge. Von Schuhen über Jacken bis hin zu Fahrrädern. Alles, was ein junger Mensch in Olching eben brauchen kann. Aber damit sollte das Engagement der Schule nicht beendet sein. "Das Kollegium war von Anfang an interessiert und motiviert, zu helfen", sagt Ratberger.

Insgesamt 14 Lehrer begannen zu planen und ein Konzept zu entwickeln. Die 50 jungen Männern, die draußen vor der Tür lebten, sollten nachmittags ins Gymnasium kommen, wo sie als Ergänzung zur Theorie des Sprachunterrichts am Vormittag das Gelernte praktisch anwenden sollten. Auch unter den Schülern war die Begeisterung zu spüren, und so entstand die Idee zu den Sprachpatenschaften. Ein Olchinger Schüler übernimmt die Patenschaft für ein bis zwei der Flüchtlinge, steht ihnen bei Fragen zur Seite und unterstützt sie, wenn im Unterricht Schwierigkeiten auftauchen.

Dass das Projekt mittlerweile so gut angelaufen ist, freut nicht nur Lehrer und Schüler, sondern auch die Vertreter des Fürstenfeldbrucker Jugendamts. Carmen Harrieder, die die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge betreut, sagt: "Wir freuen uns sehr über die Kooperation und sind begeistert von dem Projekt." Natürlich habe es zu Beginn einiges gegeben,,was man habe abklären und regeln müssen: "Aber alles braucht seine Vorlaufzeit". Das bestätigt auch Ratberger. "Es war einige Zeit unklar, ob die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge überhaupt ins Schulgebäude kommen dürfen." Vor einigen Wochen waren schließlich alle Fragen geklärt.

Die Security begleitet die Buben jeden Tag von der Containeranlage in das Schulgebäude. Es gibt einen strengen Ablaufplan, man wisse ganz genau, wer wann wo sei. Schwierigkeiten habe es bisher nicht gegeben. Auch der Elternbeirat unterstütze das Projekt.

Das große Ziel der 14 Lehrer und 40 Lernpaten, die sich ehrenamtlich in dem Projekt engagieren, ist es, dass die Flüchtlinge am Ende auf dem Sprachniveau A1 angelangt sind und so im kommenden Jahr vielleicht einen Platz an der Berufsschule bekommen. "Es ist eine Herzensangelegenheit", sagt Ratberger. Dass es, etwa auf einer Bürgerversammlung in Olching Bedenken wegen der jungen Migranten hat, weiß auch sie. "Aber die Nähe der Container zur Schule ist viel mehr eine große Chance", sagt sie. Eine Chance für die Schüler, zu helfen und zu verstehen und eine Chance für die Flüchtlinge, gut eingebunden zu werden. Und die Chance, dass sich Freundschaften entwickeln.

Laura Schmid, eine der Lernpatinen betont, wie viel Spaß ihr die neue Aufgabe macht. "Es ist erstaunlich, wie viel sie in so kurzer Zeit lernen. Vor allem, weil sie die fremde Sprache auf einer völlig anderen Basis lernen müssen als wir in der Schule. Es gibt hier ja keinen Lehrer, der ihre Sprache spricht".

Farid und Ahmad, ihre beiden "Patenkinder", sind mit kleinen Kärtchen beschäftigt, die sie in die richtige Reihenfolge bringen sollen. Wie es ihnen im Unterricht gefällt? "Sehr gut, sehr gut." Breites Lächeln, Daumen nach oben. "Dass es für die Jugendlichen passt, ist das wichtigste", ist Carmen Harrieder überzeugt.

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