Olching:Richterspruch zur Grabesruhe

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Stadtverwaltung spricht von "hochinteressanter Grundsatzfrage"

Von Julia Bergmann, Olching

Mit Spannung erwartet die Olchinger Stadtverwaltung einen Richterspruch in einem Fall der besonderen Art. Denn Ende Januar soll der Bayerische Verwaltungsgerichtshof darüber entscheiden, ob die in der Stadt geltende Ruhefrist von zwei Jahren für Urnengräber mit Recht und Gesetz vereinbar ist. Eine Frau aus dem Münchner Umland bezweifelt das und sieht durch die vergleichsweise kurze Ruhefrist die "postmortale Menschenwürde" verletzt. In einem sogenanntes Normenkontrollverfahren soll geklärt werden, ob sie Recht hat. "Es ist eine hochinteressante Grundsatzfrage", sagt Rathausgeschäftsführer Jürgen Koller. Eine Grundsatzfrage, zu deren Beantwortung ausschließlich moralische Aspekte herangezogen werden können. Denn anders als bei einer Erdbestattung erfüllt die Ruhefrist bei Urnengräbern weder einen praktischen Zweck, noch hat sie Einfluss darauf, wie lange ein Grab grundsätzlich genutzt werden darf.

Die Ruhefrist regelt ausschließlich, wie viel Zeit nach einer Bestattung mindestens vergehen muss, bis das Grab, etwa für eine weitere Bestattung, erneut geöffnet werden darf. Der Hintergrund der Ruhefrist bei Erdbestattungen ist, wie Ordnungsamtsleiter Christian Richter erklärt, dass ein Grab erst dann neu belegt werden kann, wenn der zuvor darin bestattete Leichnam bis auf die Gebeine zersetzt wurde. Bei Urnengräbern entfällt dieser Aspekt jedoch völlig. "Am Zustand der Asche ändert sich auch nach Jahren nichts", sagt Richter.

Tatsächlich hat die Stadt die Ruhefrist für Urnen auf Anregung eines Stadtrats, der Pietätsgründe angeführt hatte, 2016 von zunächst einem Jahr auf zwei Jahre verlängert. Auch die Ruhefrist für Erdbestattungen hatte man damals von sieben auf zwölf Jahre verlängert, nachdem ein Bestatter festgestellt hatte, dass der Verfallsprozess der Körper nach sieben Jahren nicht immer weit genug fortgeschritten war.

Dass die Beschwerdeführerin nun außer der Klärung einer Grundsatzfrage mit dem Normenkontrollverfahren einen weiteren Zweck verfolgt, halten Koller und Richter für unwahrscheinlich. Immerhin würde sich eine Verlängerung der Frist laut Richter, wenn überhaupt, eher negativ auf Grabbesitzer auswirken. "Stellen sie sich eine 80-jährige Frau vor, die nur eine geringe Rente bekommt und davon ihre Grabgebühren zahlen muss", sagt er. Die Frau, die eine Urnennische mit Platz für drei Urnen besitzt, könnte ein Problem bekommen, wenn ein vierter Angehöriger innerhalb der Ruhefrist verstirbt. Das Grab darf dann nicht geöffnet werden. So sei sie gezwungen, eine zusätzliche Urnennische von ihrer knappen Rente zuzukaufen. Je länger die geltende Ruhefrist dauert, desto wahrscheinlicher tritt dieser Fall ein. Eine kurze Frist entschärft derlei Probleme zumindest zum Teil.

Nach Verstreichen der Frist haben Angehörige grundsätzlich die Möglichkeit, eine der Urnen aus der Nische zu entnehmen, um einer neuen Platz zu machen. Die entnommene Urne wird anschließend ordnungsgemäß und ohne die Urne zu öffnen oder die Asche zu entnehmen in einem anonymen Grab auf dem Friedhof bestattet. Der Name des Verstorbenen verbleibt auf der Grabstätte. Fälle wie diese seien aber selten, so Richter.

Dass die Beschwerdeführerein mit ihrer Argumentation vor Gericht Erfolg hat, und Kommunen bayernweit bald ihre Friedhofssatzungen ändern müssen, bezweifelt Richter. Laut Bayerischem Bestattungsgesetz bestimmen Friedhofsträger die Ruhefristen eigenständig. Eine einheitliche Regelung oder eine Empfehlung des Bayerischen Städtetags gibt es nicht. Zudem beruft sich die Frau auf eine Rechtssprechung aus dem Jahr 1925. "Eine Zeit, in der die Feuerbestattung aus religiösen Gründen grundsätzlich verpönt war", sagt Richter. Ob die Rechtssprechung heute noch Aktualität besitze, sei fraglich. Zumal die Frage der Würde und Pietät ohnehin stetigem und starken Wandel unterworfen seien.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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