Olching:Nachbarn klagen gegen Arbeiterwohnheim

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Fünfzehn Anwohner wehren sich gegen eine Umwandlung des ehemaligen Olchinger Hotels Mühlbach. Die Angelegenheit ist juristisch knifflig. Bürgermeister Magg hofft auf eine einvernehmliche Lösung

Von Peter Bierl, Olching

Um das Hotel Mühlbach in Olching gibt es einen Rechtsstreit. Nachbarn wollen verhindern, dass sich dort ein Arbeiterwohnheim etabliert. Sie haben sich wegen Ruhestörungen im Rathaus sowie im Landratsamt beschwert. Fünfzehn Anwohner klagen nun gegen die Kreisbehörde, weil sie den Eigentümern Umbauten und eine Nutzungsänderung genehmigt hat. Die Unterscheidung zwischen Hotel und Wohnheim ist jedoch schwierig, was den Fall juristisch knifflig macht. Das Anwesen am Amperkanal in Höhe des Daxerhofes diente ein Jahr als Unterkunft für Flüchtlinge. "Mit denen gab es nie Probleme", betonte ein Nachbar, der selbst im Helferkreis aktiv war. Der Ärger habe angefangen, nachdem die Asylbewerber ausgezogen waren und die Eigentümerin die Zimmer an Arbeiter aus Osteuropa habe. Anwohner berichteten der SZ von Lärmbelästigung bis tief in die Nacht hinein und am Wochenende. "Die Leute sitzen draußen, trinken und sind laut bis weit nach Mitternacht".

Aus offenen Fenstern seien laute Musik, Gespräche und mitunter Streitereien zu hören, berichtet ein anderer Nachbar. An Fenstern würden Kleider und Schuhe zum Lüften aufgehängt. Männer gingen durch eine Türe auf der Rückseite des Hotels ins Freie und urinierten auf Grünflächen des Hotels und in fremde Gärten. Mit denen können man auch nicht reden, weil die meisten kaum Deutsch verstünden. "Das sind Leute jenseits der Schmerzgrenze, mit denen ich keinen Streit möchte", sagt ein Anwohner. Die Bürger würden alleingelassen, die Olchinger Polizei sei völlig unterbesetzt, schimpft er.

Die Nachbarn beklagten auch, dass am Abend kein Hotel-Personal anwesend sei, an das man sich wenden könnte. Bürgermeister Andreas Magg (SPD) rügte vor einer Woche, das Anwesen werde "heruntergewirtschaftet" und er wolle an der Stelle kein Arbeiterwohnheim haben. Eigentümer ist seit ein paar Jahren die Firma First Sleep GmbH aus Oberhaching. Sie betreibt im Raum München und Berlin etwa 2000 Zimmer an etlichen Standorten. Unter dem Motto "schlau schlafen, clever wohnen" biete das Unternehmen "ein Zuhause auf Zeit", heißt es auf der Homepage. Im Internet werden Monteurzimmer annonciert. Das Unternehmen reagierte prompt auf den Brandbrief des Bürgermeisters. Rasen und Sträucher in den Grünanlagen wurden geschnitten, es hängen Zettel am Hoteleingang und an Haustüren der Nachbarn, man solle sich bei Beschwerden direkt an First Sleep wenden. Seitdem sei es ruhiger geworden, berichten Anwohner.

Nach Angaben des Geschäftsführers von First Sleep, Fardad Shirvani, ist seit zwei Wochen wieder jemand rund um die Uhr vor Ort. Der Ärger sei von einer größeren Gruppe von Gästen ausgegangen, die bald nicht mehr dort wohnen würden. Das Landratsamt hat zwei Baukontrollen durchgeführt und "kleine und mittlere Mängel" festgestellt, etwa beim Brandschutz, sagte Pressesprecherin Ines Rollecke. Diese seien aber nicht so gravierend, als dass eine Schließung des Hauses, wie sie Nachbarn fordern, verhältnismäßig wäre. Der nächste Schritt ist eine schriftliche Anhörung der Hotelbesitzer, dann folgt ein Bescheid der Behörde. Shirvani versicherte, dass die Firma das Anwesen sanieren wolle, um daraus wieder ein schönes Hotel zu machen, das eine andere Klientel anzieht. Durch Umbauten soll die Zahl der Zimmer von 46 auf 54 steigen.

Mit diesem Zettel reagiert der Inhaber auf die Beschwerden der Nachbarn. Seitdem sei es ruhiger geworden, heißt es. (Foto: Günther Reger)

Der Hotelkomplex ist Teil einer Wohneigentümergemeinschaft (WEG). Diese umfasst die Firma First Sleep sowie 32 Eigentümer von Wohnungen in fünf Häusern direkt neben den drei Gebäuden des Hotels. Gemeinsames Eigentum ist eine Tiefgarage mit 52 Plätzen, von denen 25 dem Hotel gehören, sagt Josef Pascher vom Verwaltungsbeirat der WEG. Seit Jahren wollten die Miteigentümer die Tiefgarage sanieren, der Beton bröckele und Elektroleitungen hingen kreuz und quer. Die Kosten der Sanierung schätzt er auf 400 000 bis 700 000 Euro. Die Firma habe sich zuerst gesperrt, erst 2016 sei First Sleep auf der Eigentümerversammlung überstimmt worden, weil die Regel ein Stellplatz, eine Stimme gelte, sagt Pascher.

"Die Sanierung muss sein, wir zahlen fast die Hälfte der Kosten", sagte Shirvani dazu. Schließlich beantragte das Unternehmen Umbauten und eine teilweise Nutzungsänderung. "First Sleep hätte dazu einen Beschluss der WEG einholen müssen, aber keiner von uns wurde informiert", sagt Pascher. Der Geschäftsführer von First Sleep widersprach. "Das Hotel ist eigen verwaltet, unabhängig von der WEG", sagte Shirvani. Das Landratsamt genehmigte den Antrag jedenfalls am 30. Mai. Die Stadt hatte vorher zugestimmt, zu einem Zeitpunkt, als das Gebäude leer stand, betont der Bürgermeister. "Es gab keinen Rechtsgrund, das Einvernehmen nicht zu erteilen", erklärte Magg. Die Eigentümer hätten ihm versichert, ein "low-budget-Hotel" einzurichten. Ähnlich lautet die Rechtfertigung aus dem Landratsamt. "Die Indizien sprechen für eine Beherbergung", sagte die Pressesprecherin. Wegen des alten Kraftwerks am Amperkanal wurde die Gegend vor Jahrzehnten als Mischgebiet ausgewiesen, ein Hotel ist erlaubt, ein Wohnheim nicht. Zehn Miteigentümer der WEG klagen deshalb gegen das Landratsamt als Genehmigungsbehörde. Ihr Anwalt verweist auf Gerichtsurteile, wonach Nachbarn Anspruch auf eine sogenannte Gebietserhaltung haben, also der Charakter eines Viertels nicht auf einmal geändert werden darf. In dem ehemaligen Hotel Mühlbach sei keine ständige besetzte Rezeption vorhanden, kein Hausmeister und kein Küchen- und Bewirtungsbetrieb, sagt Andreas Paessler. Faktisch würde das Hotel seit Monaten ohne genehmigte Nutzungsänderung als Arbeiterunterkünfte betrieben, rügt der Anwalt. Sein Kollege Ewald Zachmann, der fünf Nachbarn vertritt, die nicht der WEG angehören, argumentiert ähnlich. Nach dem Umbau bliebe von einem Hotel wenig übrig, sagt Zachmann, der auch im Stadtrat sitzt. Die Abgrenzung sei schwierig, meint dagegen Roellecke: In den Zimmern seien keine Kochnischen geplant. Der Umbau sehe vor, dass die Hotelküche bleibe, das Restaurant verschwinde und die Rezeption verkleinert werde. Allerdings funktionierten moderne Hotels auch mit Chipkarte und ohne Personal im Foyer. Rechtsanwalt Paessler räumt ein, dass der Fall juristisch "ziemlich schwierig" sei, Zachmann spricht von einer rechtlichen Grauzone. Der Betrieb als Wohnheim sei aufgrund des Lärms und des Verkehrs jedenfalls "unzumutbar", argumentiert Zachmann. Die Kommune hat eine Veränderungssperre erlassen. Der Bebauungsplan soll so präzisiert werden, dass nur ein Hotelbetrieb möglich ist. Dennoch hofft Bürgermeister Magg, dass sich Anwohner und Hotelbesitzer zusammensetzen, und eine einvernehmliche Lösung finden. Der Geschäftsführer von First Sleep sagte, er wolle ein Gespräch mit allen führen.

© SZ vom 21.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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