Olaf Schubert in Germering:Die kurzen Beine der Lüge

Olaf Schubert

Olaf Schubert und sein Pullover sind Markenbotschafter des sächsischen Humors.

(Foto: Günther Reger)

Der Kabarettist überschreitet in der Stadthalle alle Grenzen der politischen Korrektheit, scheut aber auch vor ernsten Themen wie Pediga nicht zurück. Diese Mischung macht ihn so faszinierend

Von Florian J. Haamann, Germering

Da steht er also, der Vergewaltiger des Bösen, wie er sich selbst nennt, in seinem gelb-grünen Argyle-Pullunder und zeigt, gleich nachdem er die Schönheit der Stadthalle (null Schnick, kein Schnack) betont hat, erst einmal Mitgefühl für die Herren im Publikum: "Viele Männer werden sagen, vielen Dank Olaf. Wegen dir kann ich heute kein Fußball schauen". Denn Olaf Schubert weiß genau, wie die Kulturpolitik in Germeringer Familien läuft. Die Frau kauft Monate im Voraus die Karten, fragt den Mann, ob er mitkommen wolle, und der sagt zu, nicht bedenkend, ob er an diesem Tag überhaupt Zeit hat. Dennoch sollten auch die Männer an diesem Abend von Schubert mit seinem Programm "So!" besser unterhalten werden als vom FC Bayern, der parallel in Barcelona unterging.

Das Wort Respekt scheint Schubert nicht zu kennen und auch Political Correctness ist ihm fremd. Und dank seiner Mischung aus ostdeutscher Leidensmiene inklusive passender Körpersprache, latenter Dödeligkeit und sächsischem Dialekt, darf er sowieso alles sagen, ohne dass es ihm jemand übel nehmen könnte. Gut gelaunt erzählt er vom Prozess gegen Oscar Pistorius, der ja stets seine Unschuld beteuert habe. "Am Ende ist dann aber rausgekommen, dass er es doch war. Er hat also geschwindelt. Ich sage ja schon immer: Lügen haben kurze Beine." Doch damit nicht genug. Schubert treibt seine Pointe noch weiter über die Grenzen dessen, was im gesellschaftlich-moralischen Diskurs normalerweise toleriert wird: "Das war ganz wichtig für Südafrika. Die hatten so lange die Apartheid. Immer ging es nur gegen die Schwarzen. Jetzt sind endlich mal die Behinderten dran." Die Besucher in der fast ausverkauften Stadthalle reagierten mit ungehemmter Begeisterung.

Das Faszinierende an Schubert ist, dass er nicht nur eine Stilrichtung kann, sondern virtuos verschiedenste Ebenen der Unterhaltung beherrscht, sie intelligent verwebt und abwechselt. So jongliert er mal mit quasi-dadaistischen Wortspielen und fehlplatzierten Fremdworten ("Lange Rede, kurzer Phallus"), blödelt herum, singt, wird immer wieder auch politisch und spricht über Themen, die die Gesellschaft verändern. Etwa, wenn er von einem Jungen singt, der sein Leben vor dem Computer verbringt, bis dieser ihn verschlingt. Gefangen im "Goldenen Käfig aus Cyber" sei er. Und Schuberts Sprachgefühl ist ein Genuss.

Als Dresdner kommt er nicht an Pegida vorbei, diesen Menschen, die durch die Stadt spazieren und "Muselmann gruseln" betreiben. Natürlich müsse man sich gegen die Islamisierung wehren, immerhin sei es schon soweit, dass die Kinder in der Schule mit arabischen Zahlen rechnen müssen. Sorgen, so beschreibt er die Absurdität der Gruppierung, habe er sich allerdings schon gemacht, als Geert Wilders vor zwei Wochen in Dresden gesprochen habe. "So geht es los. Erst spricht der Populist aus Holland, dann der aus Polen, Bulgarien, Syrien. Da muss man sagen: Irgendwann ist das Boot voll! Sonst nehmen die unseren Populisten die Redezeit weg." Aber auch dieses Thema treibt Schubert zu Höchstleistungen: "In punkto rechtem Gedankengut waren wir Deutschen mal führend. Jetzt haben wir den Anschluss an die Weltspitze verpasst."

Begleitet wurde Schubert von "seinen Freunden", dem Bassisten Bert Stephan und dem Gitarristen Jochen Barkas. Die beiden dienten Schubert allerdings nicht nur als musikalische Begleiter, sondern auch als Opfer ("Ich habe das Gefühl, einigen in der Gruppe ist mein Erfolg zu Kopf gestiegen"). Gemeinsam mit den beiden bewies Schubert, dass er zwar gut reden, aber ganz schrecklich singen kann - natürlich mit voller Absicht. Im Stimmungslied "Let's have a party", beschreibt er auf zum Brüllen komische Art, wie man die perfekte spießige Hausparty plant, inklusive Aushang im Treppenhaus und einer extra Schüssel Kartoffelsalat, falls jemand unangemeldet auftaucht. Das Anti-Liebeslied "Madeleine" erzählt von einem Mädchen, dass nach einer Liebesnacht die große Leidenschaft spürt, und einem jungen Mann, der lediglich ein Fluchtbedürfnis spürt.

Egal ob er Angela Merkel ("Wenn die neben Obama steht, sieht sie ganz schön blass aus"), das G36, seinen Unteroffizier Mirko oder den Gesundheitswahn auf die Schippe nimmt, bei Schubert wirkt all das so freundlich und naiv, dass wahrscheinlich selbst die Betroffenen über ihn lachen müssten. Diesen schrulligen Typen muss man einfach mögen.

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