Österliche Betrachtung:Ein Werkzeug Gottes

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Vasile Sopa leitet die Gärtnerei auf dem Demeter-Hof in Grafrath. Der 57 Jahre alte Rumäne ist orthodoxer Theologe. Diese Ausbildung ist der Grund dafür, dass er seine Arbeit als Dienst an der Schöpfung versteht

Von Andreas Ostermeier, Grafrath

Ostern ist das Fest der Auferstehung Christi. Am dritten Tag der Grabesruhe, so heißt es in der Bibel, überwand Jesus als erster den Tod, verließ sein Grab und mischte sich unter die Lebenden. Und so wie Christus auferstanden ist, so werden alle Menschen vom Tod auferstehen. Das ist die christliche Botschaft des Osterfests. Sie erschöpft sich allerdings nicht in der Auferstehung der Menschen. Auch die Natur und die Erde werden neu, verspricht die Bibel. Also auch Pflanzen und Tiere werden laut des christlichen Osterglaubens eine neue Existenz bekommen. Am jüngsten Tag, so das Versprechen der Bibel, wird die gesamte Schöpfung erneuert werden. Und ein wenig könne jeder jetzt schon in dieser neuen Welt leben, meint der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, und zwar dann, wenn er die Schöpfung genieße und bewahre. Sich am Reichtum von Flora und Fauna zu erfreuen, die Buntheit von Blumen, die Ruhe eines Waldes oder die Schönheit einer Landschaft auf sich wirken zu lassen, das gibt nach den Worten des Erzbischofs einen Vorgeschmack auf die neue Welt, die mit der Wiederkunft Christi entstehen soll.

Das Grün beginnt zu sprießen: Der Theologe und Landwirt Vasile Sopa kümmert sich um die ersten Salatpflanzen im Gewächshaus des Gärtnerhofs im Grafrather Ortsteil Mauern. (Foto: Carmen Voxbrunner)

So gesehen lebt der orthodoxe Theologe und Gärtner Vasile Sopa bereits in der neuen Welt. Der 57-Jährige arbeitet als Gärtnereileiter auf dem Demeter-Hof von Andrea Sprenger in Mauern. Seine Arbeit versteht er als Dienst an der Schöpfung. Wenn er Pflanzensamen aussät oder Blumenzwiebeln setzt, dann tue er dies gleichsam als Werkzeug Gottes, sagt Sopa. Die sprießenden Pflanzen sieht er als Verbindung zwischen Himmel und Erde. Landwirtschaft, so wie sie Sopa versteht, basiert nicht nur auf dem Wissen über die Beschaffenheit des Bodens oder der Pflanzen. Er will sie in einem weiteren Sinn verstanden wissen. So bezieht er beispielsweise auch die Mondphasen in sein Handeln ein. Manchen mögen solche Gedanken zu esoterisch vorkommen, doch Sopa sagt, er habe vieles von den Bauern in Siebenbürgen gelernt. Dort, in der Nähe von Sibiu, ist er aufgewachsen. Und von deren Art, die Felder zu bearbeiten, hat er sich einiges abgeschaut. Deshalb ist er zum Bio-Landbau gestoßen und arbeitet auf einem Demeter-Hof. Auch in Rumänien habe er schon auf den Einsatz von Chemikalien und zugekauften Düngemitteln verzichtet, erzählt der Gärtnereileiter über seine landwirtschaftlichen Anfänge in Siebenbürgen.

Zunächst strebte der 57-Jährige jedoch gar keine Tätigkeit als Landwirt an. Sopa studierte in Cluj Theologie. Nebenbei sang er in einer Volksmusikgruppe. Aus dem Singen wurde sein erster Beruf, Chorsänger an der Oper in Cluj. Nach der rumänischen Revolution 1989 gründete Sopa, unterstützt von den Söhnen seiner Schwester, einen landwirtschaftlichen Betrieb. Diesen gibt es laut Sopa heute noch, und er wird von den Neffen geführt. Auch sei er nicht mehr der einzige Biohof, erzählt er. Seine Motivation, einen Hof aufzubauen, so sagt er, war vor allem eine spirituelle. Als Werkzeug Gottes etwas zu erschaffen, das habe ihn zur Landwirtschaft gebracht. Bücher über biologische Landwirtschaft kannte er damals nicht, auch keine Bücher über Rudolf Steiner oder den Demeter-Landbau. Diese Literatur war im kommunistischen Rumänien verboten. Sopa besann sich bei der Gründung seines Hofes auf das, was er von den Bauern in seiner Kindheit gelernt hatte. Anderes entnahm er der Bibel, beispielsweise die Begründung für den Verzicht auf Fleisch. Sopa verweist auf Psalm 50, in dem Gott selbst es ablehnt, das Fleisch von Stieren essen und das Blut von Böcken trinken zu wollen. Der Arbeiter im Weinberg, das Korn, das in die Erde fällt, stirbt und reiche Frucht bringt, oder - am bekanntesten - der gute Hirte: Bilder aus dem bäuerlichen Bereich tauchen in der Bibel an vielen Stellen auf. Wenn man die zahlreichen Gleichnisse liest, die aus dem Bereich der Landwirtschaft entnommen sind, ist es kaum überraschend, über Feldbau und Tierhaltung auch aus theologischer Sicht nachzudenken. Eben diesen Weg ist Sopa gegangen. Die Arbeit in der Natur ist für ihn die Tätigkeit, mit der er Gott am nächsten kommen und am Schöpfungsplan teilnehmen kann. So verbindet er sein theologisches Wissen mit der gärtnerischen Tätigkeit.

Die Arbeit im Gewächshaus und auf dem Acker bevorzugt er aber auch deshalb, weil sie ihm als eine sehr menschliche erscheint. Die Natur sei jeden Tag anders, sagt er: der Wechsel der Jahreszeiten, Sonne und Regen, Wind, Wärme und Kälte. Monotonie kommt da nicht auf, die Abwechslung hält den Geist jung. "Die Landwirtschaft ist eine ehrliche Arbeit. Denn die Natur lässt sich nicht betrügen. Sie zeigt einem gleich das Ergebnis dessen, was man getan hat", sagt Sopa. Zudem schätzt er an dieser Arbeit, dass sie ihm die Ruhe des Geistes gibt. Sopa verwendet dafür das Wort "Isichia", den griechischen Begriff für die Stille, die auch Meditierende zu erreichen versuchen: nämlich nichts mehr zu denken, zu bewerten oder zu beurteilen. Lässt sich der ewige Fluss der Gedanken unterbrechen, dann könne er sich unmittelbar für die Eindrücke aus der Umgebung öffnen. Ähnliches lehrten auch christliche Mystiker und der römische Philosoph Seneca. Sopas Verständnis von Arbeit in und mit der Natur fußt auf einer großen geistigen Basis. Und er ist sich sicher, dass dies auch Auswirkungen auf den Ertrag seiner Arbeit hat. Denn die Pflanzen nähmen sehr viel mehr wahr, als man denke, und seien durch Zuwendung beeinflussbar. Ob dazu auch das Singen gehört? Während der Arbeit singe er manchmal, erzählt er, das übertöne den Traktorenlärm.

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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