Null Bock auf Schlachthof:Stier entwischt Metzgern

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Einem Zwölf-Zentner-Bullen gelingt es, vom Schlachthof zu flüchten. Doch nach kurzer Zeit ist sein Ausflug in die Freiheit zu Ende. Polizisten erschießen das Tier.

Stefan Salger

Der tote Stier wird abtransportiert. (Foto: Stefan Salger)

Eine Zeitlang sah es am Montagmorgen so aus, als könnten zwölf Zentner Frischfleisch auf vier Hufen ihren Metzgern ein Schnippchen schlagen - da büxte der Stier von Rudi Bichler aus. Der Zaun um den Brucker Schlachthof konnte ihn nicht bremsen. Mit einem beherzten Sprung nahm das Tier diese erste Hürde. Nach einem Sprint über die Augsburger Straße stand er schließlich im Wäldchen an der Malchinger Straße und schnupperte an der grenzenlosen Freiheit, am großen Abenteuer. Mehr als ein kurzes Schnuppern wurde es freilich nicht. Denn weil sich der Stier von seiner kratzbürstigen Seite zeigte und nicht eingefangen werden konnte, kam es schließlich im Unterholz zum Showdown. Polizei gegen Stier. Wie so eine Sache ausgeht, dürfte klar sein. Ein paar Schüsse aus einem großkalibrigen G3-Sturmgewehr hallten über die idyllische Schneelandschaft. Und für den Stier war's das mit Idylle. Am Rande eines Reisighaufens hauchte ein großer Abenteurer sein Leben aus.

Immerhin: Einen späten, wenn auch posthumen Triumph konnte der Stier, der leider nicht einmal einen Namen hat, verbuchen: Zum einen nahmen viele Brucker Autofahrer Anteil an seinem Schicksal. Sie reihten sich ein in den gemächlichen Konvoi, der angeführt wurde von einem Radlader. An dem baumelte, kopfüber, die arme Kreatur, die zurück an den Ort gebracht wurde, wo alles begann: zum Schlachthof im Gewerbegebiet Hasenheide. Ob der störrische Stier überhaupt noch auf der Schlachtbank landet, ist höchst ungewiss. Denn Schlachthof-Chef Max Keil darf keine toten Rindviecher annehmen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Metzger in ihren weißen Schürzen dem schwergewichtigen Flüchtling sofort nachgesetzt hatten und ihn nach dem Fangschuss waidmännisch "verarzteten". Bestenfalls könnte das Fleisch noch im Zuge einer Hausschlachtung verwendet werden, für die andere Regeln gelten. Doch auch das muss noch geklärt werden.

Für Bullenmäster Rudi Bichler, der sein gutes Stück im Autoanhänger aus dem Landkreis Dachau herangekarrt hatte, war der Tag jedenfalls gelaufen. Wer hätte so etwas von dem Stier gedacht? Der stand sommers gemeinsam mit seinen 100 Artgenossen immer brav auf der Weide in der Nähe von Erdweg und winters im Stall und führte ein ziemlich unauffälliges Leben - jedenfalls 22 Monate lang bis zu diesem Tag. "Der war schon im Schlachthof drinnen mit dem Kopf", erzählt der Landwirt. Der Dampfstrahler, mit dem er gewaschen werden sollte, jagte ihm aber offensichtlich einen gehörigen Schreck ein. Und dann also reifte in dem Gehörnten der Entschluss, sich doch noch einen Namen zu machen: "Der hat Vollgas gegeben", so Bichler, "zweimal ist er auf mich los, dann hat er sich auf und davon gemacht". Im Schweinsgalopp, möchte man unter Missachtung der korrekten Gattungsgrenzen hinzufügen. Metzger und Selbstvermarkter jedenfalls sahen nur noch die Hinterhufe.

So ein Stier kann für Menschen und Verkehrsteilnehmer gefährlich werden, deswegen lobt Keil die Polizei, die sehr schnell und konsequent reagiert habe. "Gott sei dank ist niemandem etwas passiert, das ist das Wichtigste" (der Namenlose hätte das wohl anders gesehen). Der Polizei versprach der Schlachthof-Chef eine Brotzeit fürs beherzte Eingreifen.

Polizeibeamte bekommen es mit gewisser Regelmäßigkeit zu tun mit ausgebüxten Stieren. Und weil sich die in vielen Fällen nicht mehr einfangen lassen, endet die Sache häufig blutig - so wie 2009 in Kottgeisering, als neben vier Streifenwagen sogar ein Hubschrauber eingesetzt wurde, um einen entlaufenen Stier nach zweistündiger Jagd zur Strecke zu bringen. Aus Sicherheitsgründen wurde damals zeitweise der Zugverkehr auf der nahen Bahnstrecke eingestellt. Das Tier, das sich bei seiner Flucht schwer verletzt hatte, verendete schließlich in einem Garten. Im vergangenen September musste die Polizei zur Waffe greifen, als sich ein wildgewordener Stier in Markt Indersdorf im Landkreis Dachau bereits bis zum Bahnhof durchgeschlagen hatte. Auch dort wurde das Tier aus Sicherheitsgründen mit einem gezielten Schuss getötet.

© SZ vom 05.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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