Neue Koalition:Farbenspiele an der Basis

Mitglieder und Mandatsträger von CSU, SPD und Grünen machen sich Gedanken über eine mögliche Regierungskoalition. Dabei finden manche richtig Gefallen an Schwarz-Grün

Von Erich C. Setzwein, Stefan Salger und Ariane Lindenbach

Bunte Farbe

Schwarz mit Rot oder Schwarz mit Grün oder doch ganz anders? Am Ende überlagert dunkle Farbe stets alle anderen

(Foto: dpa)

Wenn es nach der Meinung von CSU-Mitgliedern im Landkreis geht, dann muss es nicht unbedingt zu einer großen Koalition mit der SPD kommen. Die Grünen scheiden demnach als politischer Partner nicht aus.

Dass die Union im Grunde keinen Partner bräuchte, davon scheint man in Hattenhofen überzeugt zu sein. Der als stark konservativ bekannte Ort hat seinen Ruf bei den jüngsten Wahlen erneut unter Beweis gestellt. Bei den Zweitstimmen für die CSU lag der Ort an erster, bei den Erststimmen für Gerda Hasselfeldt an zweiter Stelle. "Wir sind immer weit voraus", sagt Ortsvorsitzender Johann Wörle. Dass es nun für die absolute Mehrheit der Union nicht gereicht hat, bedauert Wörle, aber er kann sich nicht vorstellen, dass es zu einer Minderheitsregierung von CDU/CSU kommt. "Wer wird dann Kanzler?", fragt sich der CSU-Ortsvorsitzende und Kreisrat. So blieben also nur die Roten, sagt Wörle, auch wenn er wisse, dass es in den kommenden vier Jahren "sehr ruhig" werde: "Es wird wenig bewegt." Also doch Schwarz-Grün? "Niemals mit den Grünen!", ruft er da. Sie würden nichts mehr bewegen, nur noch blockieren, vor allem bei deren früherem Kernthema Umwelt.

CSU-Stadträtin Maria Hartl aus Olching ist da ganz anderer Meinung. Sie bevorzuge die "Variante CDU und Grüne", wie sie von ihrem Urlaubsort Madeira aus mitteilt. Hartl glaubt, dass man mit den Grünen eine gemeinsame Regierung bilden könnte. "Vorausgesetzt, die schicken einige Leute wie Roth und Künast nach Hause, und die nehmen den Trittin gleich mit." Es sei immer besser, mit einem kleineren Koalitionspartner zusammenzuarbeiten, da müsse man nicht so viele Zugeständnisse machen. Wenn die Grünen in die Regierungsverantwortung eingebunden seien, müssten sie dann "kleinere Brötchen backen" und beweisen, dass sie nicht nur kritisieren können.

Auch Mathias Hille ist sehr dafür, dass es die Union mit den Grünen einmal probiert. Der Gastronom und frühere Gröbenzeller CSU-Gemeinderat schließt eine große Koalition aus und findet die Kombination mit den Grünen "durchaus interessant". Er kann das auch begründen: "Es gibt so gegensätzliche Interessen, bei denen man sich zusammenraufen müsste, zum Beispiel die Energiewende. Außerdem könnten die Grünen ihre Steuerpläne auf den Tisch bringen." Hille sieht die Zeit als reif für diese neue Koalition an, wie die CDU reagiere, könne er schlecht einschätzen, "die CSU ist da flexibler".

Eine teure Braut

"Die große Koalition ist eine gute Lösung", sagt Franz Höfelsauer und trägt ein für den Mittelstand wichtiges Argument or. Der Obermeister der Bäckerinnung hofft, dass "der Gesetzesstau im Bundesrat aufgelöst werden könnte". Das betreffe auch Gesetze, von denen das Handwerk profitieren werde.

Auch mit 70 Jahren kann man durchaus so etwas wie ein gebranntes Kind sein. Wird der Brucker SPD-Stadtrat Walter Schwarz auf eine große Koalition angesprochen, dann blinken bei ihm die Warnlichter. Wie war das letztens doch noch? "Erst hat Mutti die SPD geheiratet und ausgesaugt. Und dann hat Mutti die FDP geheiratet und ausgesaugt." Einen Vergleich, den auch der Bezirksrat und Eichenauer Ortsvereinsvorsitzende Martin Eberl fast wortwörtlich bemüht. Und die Lehre aus dieser Geschichte? Wenn die SPD das Risiko einer Koalition mit der CDU eingeht und bereit ist, "in dieses Bettchen zu springen", dann, so Schwarz, muss es sich für die Genossen politisch lohnen - "dann müssen uns die anderen schon einen Riesenschritt entgegenkommen". Für Schwarz, der seit 43 Jahren der SPD angehört, heißt das: keine Maut, weg mit dem Betreuungsgeld, höhere Steuern für Reiche und die Vermögensteuer, um die Umverteilung von unten nach oben zu stoppen. So ähnlich sehen es viele an der SPD-Basis, so auch Marga Wiesner, Stadträtin und Dritte Bürgermeisterin aus Puchheim. Auch sie plädiert für "harte Koalitionsverhandlungen" und warnt davor, sich abspeisen zu lassen. Weil sie ebenso wie Eberl die Schnittmengen der CDU mit den Grünen geringer einschätzt als jene mit der SPD, deute aber vieles auf eine große Koalition hin. Von Forderungen wie der nach einem gesetzlichen Mindestlohn will Wiesner deswegen aber nicht abrücken. Auch die "Herdprämie", also das Betreuungsgeld, müsse weg und mehr Geld ins Bildungssystem gesteckt werden. In jedem Falle habe die SPD, so Wiesners Überzeugung, genügend qualifizierte Leute für einen Ministerposten, auch wenn sie Steinbrücks Absage bedauert. Eberl wünscht sich, dass die Riege der SPD-Ministerpräsidenten wie Kraft, Weil oder Albig Verantwortung übernimmt.

Und was, wenn die SPD zu viel fordert und sich mit der Union nicht einigen kann? Eberl ist da auch etwas ratlos: "Neuwahlen? Eine Minderheitskanzlerin? Ich weiß es wirklich nicht." Schwarz bleibt hart: Wenn die Union nicht wolle, dann müsse sie eben sehen, wie sie klarkommt. Wenn sie die SPD ins Boot bekommen wolle, dann solle sie einen ordentlichen Brautpreis entrichten.

Schon lange vor der Bundestagswahl wurde viel gemunkelt über eine mögliche Zusammenarbeit der Grünen mit der Union. Und auch wenn diese Option von Mitgliedern wie Beobachtern gleichermaßen immer wieder als völlig undenkbar eingestuft wird, sieht alles danach aus, als würde es zumindest - wie von den Grünen auch nie ausgeschlossen - zu Sondierungsgesprächen kommen. Wer dieser Tage im Landkreis zu einer möglichen schwarz-grünen Koalition nachfragt, bekommt von Grünen-Funktionären zunächst ein pauschales Nein zu hören. Doch es lassen sich durchaus Signale heraushören, die das Szenario zumindest nicht als völlig aussichtslos erscheinen lassen.

Ein ambivalentes Nein

"In Gröbenzell sieht es, glaube ich, keiner so, dass es eine schwarz-grüne Koalition gibt", schätzt der Sprecher der dortigen Grünen, Walter Voit, die Situation ein. "Was uns trennt, ist mehr, als was uns verbindet", erläutert er. Und nennt in erster Linie die Energiewende sowie Familienpolitik, beispielsweise den Ausbau der Kindertagesstätten, den die Grünen vorantreiben wollen, während die Union auf das Betreuungsgeld setze. In Germering sieht es Beisitzerin Angelika Kropp-Dürr zunächst sehr ähnlich, findet jedoch im Laufe des Gesprächs doch Gefallen an Schwarz-Grün: Wegen der unterschiedlichen Positionen bei Energie, sozialer Gerechtigkeit, Bildung und Mindestlohn, "kann ich es mir persönlich nicht gut vorstellen", sagt Kropp-Dürr eingangs. Doch als sie darüber nachdenkt, dass die Union eine relativ geschwächte Verhandlungsposition hat, da sie im Grunde einen Koalitionspartner braucht, und es an der Spitze ihrer Partei vermutlich bald einen personellen Wechsel gibt, der diese neue Kooperation erleichtern könnte, hält sie Schwarz-Grün doch für vorstellbar. Man sei "offen für Gespräche, es kommt auf die Inhalte an".

Die Personen an der Spitze der Partei sind für Ingrid Jaschke, Stadträtin und Sprecherin der Olchinger Grünen, der Schlüssel für die weitere Ausrichtung der Grünen. "Ich persönlich möchte doch abraten, in Richtung Schwarz-Grün zu gehen", sagt sie und unterstreicht, dass der Kreisvorstand diesbezüglich noch keine Gespräche geführt hat. Auch sie begründet das mit "sehr großen Differenzen in wichtigen Punkten". Im Wahlkampf habe sie ebenfalls den Eindruck gewonnen, dass eine Zusammenarbeit mit der Union nicht so positiv ankommen würde, im eigenen Bekanntenkreis "ist es eher gemischt". An der Parteispitze deute vieles auf einen personellen Wechsel hin, bei dem erstmals die Balance zwischen Realos und Linken aufgehoben werden könnte und es "mehr konservativ wird". Unter solchen Voraussetzungen seien die Chancen für ein Bündnis der Grünen mit der Union erhöht. Anders als Kropp-Dürr sieht sie jedoch "nach dieser Wahlschlappe keine gute Verhandlungsposition".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: