Neue Ausstellung im Jexhof:Muse zum Melken

Im Bauernhofmuseum bei Schöngeising ist die Milch Thema einer Sonderausstellung: Es geht um "Nahrung, Mythos und Politikum" des Getränks.

Peter Bierl

Milch ist bei uns nicht bloß ein Grundnahrungsmittel. Das Produkt, so wie es heute aus der Flasche oder dem Karton fließt, ist das Ergebnis komplexer biologischer, technischer, sozialer und politischer Prozesse. Welche Entwicklung die Milch vom Kuheuter bis zum Supermarkt in den vergangenen 150 Jahren genommen hat, zeigt die neue Sonderausstellung im Jexhof. Das Team um Museumsleiter Reinhard Jakob hat ein Thema gewählt, bei dem keiner unterstellen wird, es gehöre nicht in ein Bauernhofmuseum.

Gleichwohl könnte mancher mäkeln, weil die Milch hochpolitisch ist. Die Ausstellung beginnt mit idyllischen Gemälden von Kühen und endet mit Protestplakaten und einem Video über das Haberfeldtreiben gegen Gerhard Sonnleitner, den Präsidenten des Bauernverbandes, das der Milchbauernverband mit der unsäglichen Abkürzung des Organisationsnamens - BDM steht für Bundesverband Deutscher Milchviehhalter - veranstaltet hat.

Zwischen Anfang und Ende wandert der Besucher durch Räume, die einzelnen Aspekten der Milchproduktion gewidmet sind: Stilisierter Stall, Melkkammer, Einkaufsmeile, Labor und Molkerei, verbunden durch Druck- und Milchleitungen in der Höhe, wie sie moderne Ställe auszeichnen. Einmal mehr kombiniert diese Jexhof-Ausstellung auf gelungene Weise Alltags- und Sozialgeschichten, technische und ökonomische Aspekte, die vielfältigen Informationen werden themengerecht und abwechslungsreich präsentiert. So findet sich im Stall eine frühe Melkmaschine von 1907 mit Handkurbel.

"Das Gerät ist ineffektiver, als das Melken von Hand, aber man hat alles versucht, um von der Handarbeit wegzukommen", sagt Ruth Strähhuber, die im Jexhof die Ausstellungen gestaltet. Denn Melken ist anstregend: Die Arbeiter bekamen große Pusteln an den Händen, die Finger verkrüppelten. Schotten und Neuseeländer entwickelten schließlich geeignete Vakuumpumpen, die maschinelles Melken ermöglichten, in dem das pulsierende Saugen der Kälber imitiert wird.

Die Kleinbauernfamilie des 19. Jahrhunderts mit einer Kuh und zwei Ziegen bewältigte die Arbeit von Hand alleine. Die Milch diente der eigenen Versorgung. Auf größeren Höfen und Gütern, die Überschüsse für den entstehenden Markt produzierten, wurden "Schweizer" angestellt, ein Name, der darauf zurückgeht, dass in der Alpenrepublik zuerst auf eine rationellere Milchviehwirtschaft umgestellt wurde. Im 19. Jahrhundert stellten auch die Allgäuer und ein Teil der oberbayerischen Bauern um.

Die Nachfrage kam aus den Städten, insbesondere die Oberschicht entdeckte die Milch als Getränk. Milchmänner verkauften Milch an der Haustüre, Milchmädchen schleppten Kannen vom Land in die Stadt zum Direktverkauf. Schließlich übernahm die Eisenbahn den Transport, in Maisach entstand eine Verladestation für Milch. Seit den 1920er Jahren wurde die Nachfrage durch gezielte Werbung angekurbelt. In der Ausstellung läuft ein Werbefilm von 1925, der bereits die Parole "Milch macht stark" beinhaltet.

Die Milch wurde zur Handelsware und regte technische Neuerungen an. So erfand Clemens Freiherr von Mauchenheim, genannt von Bechtolsheim, um 1890 eine Zentrifuge, die die mechanische Trennung von Fett und Magermilch beschleunigte und im großen Stil ermöglichte. Bis dahin hatte die Bäuerin warten müssen, bis sich der Rahm in Milliweigeln im Millischrank absetzte.

Im Zuge der Industrialisierung von Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion befasste sich ein ganzer Wissenschaftszweig der Chemie mit der Milch und ihren Inhaltsstoffen. Der Begriff Rohmilch entstand, der Gehalt von Eiweiß, Fett und Wasser wurde gemessen, die Pasteurisierung entdeckt und 1952 Vorschrift. Mit dem Konzept der Markenprodukte aus den USA wurden in den 1920er Jahren auch Qualitätsstandards übernommen. Das Problem ist, dass einerseits der Geschmack der Milch und die Herstellung von Käse auf bestimmte Bakterien angewiesen sind, andererseits manche Keime tödlich sein können. Das Leitbild der weißen, sterilen Milch entstand und diese "Industriemilch" schmeckt ganz anders als das, was frisch aus dem Euter fließt.

Das mag man bedauern, sollte aber nicht in Vergessenheit geraten lassen, dass im Naturprodukt auch gefährliche Stoffe und Erreger, etwa auch Ehec, schwimmen können. Die Amerikaner wussten, was sie taten: Die Mutter von Abraham Lincoln starb in jungen Jahren an "milk sickness", weil ihre Kuh ein giftiges Kraut gefressen hatte.

Wie in anderen Branchen tendiert eine industriell und kapitalorientierte Wirtschaftsweise auch in der Landwirtschaft zur Konzentration. Das hölzerne Butterfass passt zur Subsistenzwirtschaft, der vollautomatische Stall mit einem Roboter als Melker erfordert jede Menge Kapital, die nur der Großbetrieb aufbringen kann. Um 1900 standen im statistischen Durchschnitt 3,5 Kühe in Deutschland und in Fürstenfeldbruck auf jedem Hof, in den Städten tobte ein "Milchkrieg" zwischen Molkereien und Händlern um die Kunden. Dem Gesetz des "Wachsen oder Weichen" versuchten die Bauern durch Molkereigenossenschaften zu entrinnen, die unter anderem auch in Germering, Maisach, Mammendorf, Moorenweis und Türkenfeld gegründet wurden.

Auf die Dauer half das sowenig wie die Subventionspolitik der Europäischen Gemeinschaft, die auch darauf basierte, Milchpulver in die Dritte Welt zu exportieren und dort Kleinbauern zu ruinieren, was in der Jexhof-Ausstellung ebenfalls reflektiert wird. So gelangt man zu den "Sofa-Melkern" und dem Milchbauernstreik der Gegenwart, die Zahl der Milchkühe schrumpfte im Landkreis Fürstenfeldbruck von einst etwa 15000 auf noch 4500 in der Gegenwart. Eine schwarzrotgoldene Hochleistungskuh wird die Agrarkrise allerdings sowenig beenden wie ihre lilafarbene Verwandte.

"Milch! - Nahrung, Mythos, Politikum"; Ausstellung im Bauernhofmuseum Jexhof bei Schöngeising; geöffnet täglich außer Montag (ausgenommen Feiertage) von 13 bis 17 Uhr; bis 6.November.

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