Neue Anreize für ein lebenslanges Lernen:EDV raus, Yoga rein

Die Volkshochschulen im Landkreis starten in wenigen Wochen ins neue Semester. Doch schon viele Monate vorher müssen die Programmmacher erahnen, was aktuell sein und im Trend liegen könnte

Von Erich C. Setzwein

Griechisch geht gerade nicht so gut. Zumindest in der Volkshochschule Eichenau, in der Charlotte Mosebach das Semesterprogramm plant. Es liegt nicht an Mosebach. Die hätte einen Dozenten für Neugriechisch an der Hand. Es liegt vielmehr an den Eichenauern selbst. Die können anscheinend entweder alle schon so viel Griechisch, dass es für den Check-in im Urlaub auf dem Peloponnes reicht, oder sie sehen im Lernen eben dieser Sprache weder Sinn noch Nutzen. Sei es, wie es sei: Niemand hat sich für den Kurs angemeldet.

Charlotte Mosebach jedenfalls ist ihren VHS-Kunden nicht gram. Vielleicht ergibt es sich nächstes Jahr, dass Griechisch wieder Anhänger findet. So wie Englisch, das mögen die Eichenauer so gerne, dass sich seit fünf Jahren fünf Kurse halten. Das Niveau, sagt die Geschäftsführerin der VHS-Eichenau, sei inzwischen bei "C 1" angelangt. Von da an ist es wohl nicht mehr weit zum simultanen Dolmetschen.

Sprachen waren und sind jene Angebote der Erwachsenenbildung, die zu den klassischen Kursen der Volkshochschulen gehören. Für jede VHS sei es eine Pflichtaufgabe, diese Kurse im Semesterprogramm zu haben, sagen übereinstimmend Beate Abel von der VHS in Gröbenzell, Karin Burda in Maisach, Claudia Frodien in Puchheim, Sonja Hofer in Olching, Charlotte Mosebach in Eichenau, Gabriele Pöller in Mammendorf, Silvia Reinschmiedt in Fürstenfeldbruck und Evi Seidel in Germering. Und so planen sie alle Englisch, Italienisch, Spanisch, Französisch und viele andere Sprachen in die Programme ein, wohl wissend, dass es Interessenten dafür gibt. Selbst für Norwegisch. Seit zehn Jahren hat die VHS Olching gleich mehrere Kurse für die nordische Sprache, die sich nach Hofers Worten so leicht lernen lässt.

Doch wer lernt mal so nebenbei Norwegisch, wer geht mit zu den Führungen, wer hört den Vorträgen zu? Muss man schon im Rentenalter sein, um sich mit Impressionismus, Reformation oder Klangschalentherapie zu beschäftigen? In Olching, zum Beispiel, ist Sonja Hofers Antwort ein klares Nein. Die größte Gruppe ihrer Kunden sei die der 35- bis 50-Jährigen. Erst dann kämen die Teilnehmer im Alter zwischen 50 und 65. Dann gibt es auch in Olching noch ein paar noch Ältere und auch die unter 30-Jährigen, die sich einschreiben. Im vergangenen Jahr sind bei der VHS Olching 750 Kurse gebucht worden, insgesamt haben 9000 Menschen teilgenommen.

So viele sind es in Mammendorf freilich nicht, auch wenn Gabriele Pöller mit ihren Angeboten die Menschen in den Gemeinden rund um Mammendorf von Althegnenberg bis Jesenwang erreichen möchte. 100 Veranstaltungen hätte Pöller im Jahr 2016 auf die Beine stellen wollen, immerhin 90 davon haben stattgefunden. Im westlichen Landkreis, sagt Pöller, habe sie "eine ganz andere Zielgruppe" als die Volkshochschulen in den großen Kommunen des östlichen Landkreises. Und weil sie die Wünsche und Interessen inzwischen ganz gut einschätzen könne, plant sie attraktive Führungen ein. Etwa die zum Mammendorfer Windrad. So etwas hat nicht jeder, da darf sie auf eine sich rasch füllende Anmeldeliste freuen. Gymnastikkurse, sagt sie, müsse man nicht groß bewerben, die würden immer gut besucht. Auch wenn Pöller ein anderes Publikum im Westen ausmacht, so scheint sich ein Trend derzeit landkreisweit abzuzeichnen. Menschen wollen mehr über sich selbst erfahren und gesund leben. So sind in Mammendorf Kurse zur Entschleunigung und zur bewussten Ernährung stark nachgefragt.

Dass für die zunehmende Arbeitsverdichtung und die damit zusammenhängenden Gesundheitsgefahren ein Ausgleich geschaffen werden muss, das kalkulieren die Planungsteams der Volkshochschulen ein. Deshalb interessieren sich viel mehr Menschen für Yoga. "Das hat sich in der westlichen Welt etabliert", sagt Beate Abel. Es werde gesundheitsbewussten Menschen von vielen Ärzten empfohlen. Und so hat die VHS Gröbenzell nicht einfach nur ein Yoga-Angebot, sondern viele: Hatha, Kundalini, Vinyasa und Martial Arts Yoga.

Auch in Maisach, berichtet Leiterin Karin Burda, "boomen Yoga, Feldenkrais und Zumba". Dass solche Angebote auch Sportvereine machen und sich die Volkshochschulen, zum Beispiel in Eichenau, vom dortigen Sportreferenten, regelmäßig Kritik anhören müssen, ist für die VHS-Leiterinnen nichts Neues. Sie sehen die Volkshochschulen aber nicht als Konkurrenten der Vereine. "Die Menschen entscheiden sich bewusst gegen einen Verein. Sie wollen ihre 15 Doppelstunden im Kurs - und Schluss", sagt Charlotte Mosebach.

Etliche Gröbenzeller Volkshochschüler entdecken aber auch die entspannenden Seiten des Home-Designs. Das Schmücken des eigenen Heims kann man in einem eigenen Kurs lernen. Sich seine Welt so gut wie möglich, im Wortsinne, einrichten, ist in den Augen von Beate Abel auch eine Möglichkeit, mit all den sonst um den Menschen herum so komplex ablaufenden Vorgängen zurecht zu kommen.

Während sich die Programme nicht nur in Nuancen, sondern teils ganz erheblich unterscheiden, so fehlen doch in allen mittlerweile die klassischen EDV-Kurse. Niemandem muss mehr beigebracht werden, wo beim PC der Einschaltknopf ist oder wie die Office-Programme von Excel bis Word bedient werden müssen, dass am Ende eine saubere Tabelle oder ein ordentlicher Brief herauskommen. Das ist mittlerweile Allgemeinwissen. Und selbst ältere Menschen fragen PC-Kurse bei der VHS nicht mehr nach, weil es in Seniorengruppen solche Angebote gibt. "Der ganze Bereich berufliche Bildung ist weggebrochen", urteilt Gabriele Pöller in Mammendorf. In Olching fragen sich Sonja Hofer und ihre Mitarbeiterinnen derweil, ob sie überhaupt noch Laptops samt teurer Software neu beschaffen sollen, wenn sich ohnehin kaum mehr jemand dafür interessiert. Das Geld sei auch in anderen Bereichen gut angelegt.

Dafür bekommt das Online-Lernen mehr Aufmerksamkeit. Was früher ein Fernstudium war, ohne dass der Studierende den Dozenten je sah, ist heute ein "Webinar". In Gröbenzell werde es ausprobiert, berichtet Beate Abel. Dort sitzen dann die Kursteilnehmer vor der Webcam am Bildschirm und schalten sich mit VHS-Kunden, die anderswo vor ihren PC sitzen, zum Beispiel mit einem Referenten in Tübingen, zusammen. Grenzenloses Lernen.

Allein Wissen aufzunehmen aber reiche nicht, meint Claudia Frodien, wenn sie ihr Programm und ihr Klientel betrachtet. "Es geht darum zu helfen, Zusammenhänge in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung zu verstehen." Einfache Antworten gebe es nicht mehr. Um darauf und auf aktuelle gesellschaftspolitische Zusammenhänge zeitnah zu reagieren, denkt man in den Volkshochschulen bei der Planung ein Dreivierteljahr vor jedem neuen Semester voraus. Was könnte sich gesellschaftspolitisch wie entwickeln, welcher Trend könnte sich bis dahin verstärken, lauten die Fragen, die sich die Leiterinnen stellen. Lösungen im Internet zu suchen, schlüssige Antworten zu googeln, sei die individuelle Möglichkeit. Claudia Frodien macht einen Gegenvorschlag: die VHS und "die unmittelbare Erfahrung im persönlichen Gespräch."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: