Nach dem Urteil:Verstimmung an der Basis

TuS Handball

Inmitten des Gefechts: Alexander Leindl, Handballer des TuS Fürstenfeldbruck, dessen Spielerpass den Streit ausgelöst hat.

(Foto: Günther Reger)

Mit Unverständnis und Wut reagieren Fürstenfeldbrucks Handballfans darauf, dass der Verband weiter auf dem erfolgten Abzug von 13 Punkten für den Drittligisten beharrt

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Michael Wisdorf hat selbst Handball gespielt für den TuS Fürstenfeldbruck. Jahrelang. Er galt einst als größtes Talent im Verein. Heute, mit gut über 40 Jahren, hat der gelernte Physiotherapeut einen festen Platz als Fan auf der Tribüne und äußert sich über Facebook gerne mal begeistert über das Tun der aktuellen Mannschaft ("Ich find' euch einfach gut"). Die jüngsten Ereignisse ließen aber auch ihn die Contenance verlieren. "Da kotz' i", schimpft er auf der Facebookseite der Brucker Handballer. Und: "Tut mir unendlich leid für den Club, Spieler, Trainer, Helfer." Wisdorfs Eintrag ist einer von vielen, die ihrer Bestürzung, ihrer Wut und ihrem Unverständnis in den sozialen Medien Ausdruck verleihen darüber, dass das Bundessportgericht des DHB den Einspruch des TuS Fürstenfeldbruck gegen den 13-Punkte-Abzug gegen seine Drittligamannschaft zurückgewiesen hat.

"Keinen Vorteil verschafft, sondern einen jungen ehrgeizigen Spieler eingesetzt. Dadurch wird ein aufstrebender Verein aus dem ach so untypischen Süden vom Aufstiegsplatz auf einen Abstiegsplatz verschoben", schreibt TuS-Hauptsponsor Jens Reiche. "Nicht nur die Unfähigkeit, rechtskräftige bzw. formal richtige Bescheide zu erstellen, sondern jetzt auch noch die gute sportliche Arbeit der letzten Jahre zerstören", moniert der Taxiunternehmer Florian Drechsler aus Fürstenfeldbruck, der noch manchmal in der dritten Mannschaft mittut. Zuspruch für die Brucker gab es zuletzt auch von den Trainern der vom Urteil profitierenden Ligakonkurrenz aus Hochdorf und Pfullingen.

Getragen von einer schier unglaublichen Woge der Zuneigung ihrer Anhänger spielen Fürstenfeldbrucks Handballer sportlich gerade zum zweiten Mal in Folge eine "Saison ihres Lebens". Doch im Vorjahr mussten sie die sich bietende Aufstiegsmöglichkeit verstreichen lassen, weil der Verein sich einen Aufstieg in Liga zwei nicht leisten konnte oder wollte, nun stoppt ein Verbandsurteil ihren Lauf.

Die Sportgerichte des Deutschen Handball-Bundes und des ihm untergeordneten bayerischen Landesverbandes BHV gelangten in der selben Sache zu zwei gegensätzlichen Urteilen: Der DHB bleibt beim Punktabzug für jene Spiele - sechs Siege, ein Remis -, die mit dem Nachwuchsspieler Alexander Leindl in der dritten Liga erzielt wurden, der BHV gibt jene zwei Punkte der zweiten TuS-Mannschaft in der Landesliga, an deren Erwerb Leindl ebenfalls beteiligt war, wieder an den TuS zurück - wegen Formfehler bei der Bescheidvergabe. "Wie können zwei Gremien, die den gleichen Sachverhalt vorliegen haben, unterschiedlich entscheiden?", fragt sich deshalb Johanna Huhn, die regelmäßig rund um die Heimspiele in der Halle mithilft.

Alexander Leindl habe nach Erlöschen seines Doppelspielrechts als A-Jugendlicher über kein originäres Erwachsenenspielrecht verfügt, betont die erste Kammer des Bundessportgerichts in ihrem Urteil. Nach deren Ansicht gilt auch ein sogenannter Vertrauenstatbestand zugunsten des Vereins nicht, weil der TuS Fürstenfeldbruck die vom BHV ausgestellte Spielberechtigungsliste mit dem erloschenen Spielrecht Leindls nicht ordnungsgemäß überprüft habe. Das sei grob fahrlässig. Der TuS habe es "nicht einmal unternommen, bei der zuständigen Passstelle nachzufragen, warum der Spieler nicht (mehr) eingetragen ist", heißt es in dem Urteil. Dabei hätte durch eine Nachfrage "noch rechtzeitig eine Änderung zugunsten des Vereins herbeigeführt werden können".

Viele Beobachter aber fragen sich, ob der Verband bei seinem Strafmaß nicht mit Kanonen auf Spatzen schießt. In einer Reaktion auf das Brucker Urteil fordert deshalb der Mindener Handballrechtsexperte und Rechtsanwalt Helge-Olaf Käding, dass es bei der bislang restriktiven Auslegung einer Spielverlustwertung künftig "Raum für Verhältnismäßigkeitserwägungen" und damit auch Ermessensspielraum geben müsse. Die Schwere der Rechtsfolge dürfe nicht von dem Zufall abhängen, "wann der Fehler entdeckt worden ist", schreibt Käding. Das Brucker Versäumnis war erst aufgefallen, als die Saison schon zweieinhalb Monate alt war. Der DHB sieht keine Schuld bei sich. Die Vereine seien von der dritten Liga lediglich zum Übersenden der Spielausweise aufgefordert worden, um die Handhabung des elektronischen Spielberichts zu erleichtern, heißt es in dem Urteil: "Damit ist jedoch keine Überprüfung der jeweiligen Spielerpässe erfolgt." Eine derartige Anforderung, heißt es weiter, "wäre dem DHB unzumutbar". Für das Passwesen seien die Landesverbände zuständig.

Nicht nur sportlich wird die Angelegenheit für den TuS Fürstenfeldbruck, der jetzt gegen den Abstieg aus der dritten Liga kämpft, teuer. Mit jeder weiteren juristischen Instanz steigen die Kosten. Neben der Einspruchsgebühr von 500 Euro muss der Verein die Auslagen des jüngsten Verfahrens in Höhe von 130 Euro zahlen. Für die Revision, die der TuS nun gegen das Urteil anstrengen will und für die er zwei Wochen Zeit hat, werden vorab Gebühren in Höhe von 1000 Euro sowie ein Auslagenvorschuss von 400 Euro fällig. "Ich hoffe", schreibt Michael Wisdorf deshalb an das Team, "ihr könnt euch noch motivieren".

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