Nach dem Brandanschlag:Schlaflose Nächte

Nach dem Brandanschlag leben die Bewohner der Germeringer Asylbewerberunterkunft in Angst. Eine Helferin startet eine Internetpetition, fordert eine lückenlose Aufklärung. Bewohner berichten derweil von Anfeindungen.

Von Gerhard Eisenkolb und Andreas Ostermeier

Bei den Flüchtlingen in der Asylbewerberunterkunft in Germering geht die Angst um. Er schlafe mit "einem offenen Auge", sagte ein Bewohner am Donnerstag. Sein Zimmer liegt in einem der beiden vom Feuer verschonten Gebäude, jedoch vom Brandherd nur rund 20 Meter entfernt. Der Mann, der einen Asylantrag gestellt hat, fühlt sich unsicher. Er sehe keine Polizei, die die Häuser schützt, sagte er. Auch eine Umzäunung der Unterkunft fehle. Zudem gibt es seinen Worten nach keine Brandmeldeanlage. Ein Blick in den Gang zwischen den Wohnungen zeigt, dass dort lediglich ein Feuerlöscher an der Wand hängt. Das Gerät eignet sich für den Einsatz bei einem Zimmerbrand, gegen Feuer wie Mittwochnacht hilft es nichts.

Dass die Flüchtlingsfamilien sich Sorgen machen, das bestätigt auch die SPD-Stadträtin Feri Erschadi-Zimmermann. Sie wohnt in der Nähe der Unterkunft der Asylbewerber und kümmert sich seit einiger Zeit um eine der Familien mit einem neugeborenen Kind. Am Donnerstagnachmittag besuchte sie die Familie und sprach auch mit anderen Bewohnern, die sie kennt. Erschadi-Zimmermann betrachtete den vom Feuer verwüsteten Gebäudeteil und erzählte, sie sei noch am Dienstagabend zu Besuch in der Unterkunft gewesen. SPD-Stadträtin Centa Keßler hat sich ebenfalls am Donnerstag über die Folgen der Brandstiftung informiert und die Asylbewerberunterkunft besucht. Auch sie hat viele Kontakte zu den Bewohnern. Eines der Kinder habe im Deutschunterricht erzählt, dass die Mitglieder der eigenen Familie "verängstigt" seien, sagte Keßler.

Heinz-Siegfried Schomburg, der Vorsitzender des Arbeitskreises Asyl in Germering, führte bereits am Mittwoch unmittelbar nach dem Brandanschlag mit Bewohnern des Heims Gespräche. Er hielt es am Donnerstag jedoch noch für zu früh, daraus abschließende Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Flüchtlinge seien alle tief betroffen. Von einer nun aufkeimenden Angst vor weiteren Anschlägen wollte der Vorsitzende des Arbeitskreises nicht sprechen. Sollten einige der Flüchtlinge professionelle Hilfe benötigen, werde das sicher veranlasst. Aber so lange die Hintergründe für den Brandanschlag noch nicht aufgeklärt sind, hält es der Vorsitzende der Arbeitskreises Asyl für verfrüht, irgendwelche Aktionen zu starten.

Schomburg sagte, dass Asylbewerber und Flüchtlinge viel willkommener seien als in früheren Jahren. Das Klima habe sich im Landkreis und in Germering zum Positiven hin verändert. Der Asylbewerber, dessen Zimmer nur wenig entfernt vom Brandort liegt und ein Fenster hin zum nahe gelegenen Gehweg hat, schränkt Schomburgs Aussagen allerdings ein. Er berichtete, dass Passanten beim Vorbeigehen bisweilen fremdenfeindliche Parolen riefen. Den Brandstifter vermutet er auch in solchen Kreisen. Oder denke einer der Politiker, dass jemand aus der Unterkunft die anderen durch einen Brand in Gefahr oder sogar umbringen wolle, fragte er.

Ähnlich sieht dies Andrea Stickel. Die Frau hat eine Internet-Petition gestartet, in der sie Innenminister Joachim Herrmann auffordert, sich für eine "umgehende, lückenlose Aufklärung" der Brandstiftung in Germering einzusetzen. Stickel, die sich in der Asylarbeit engagiert, kennt auch einen der Bewohner der Germeringer Unterkunft. In ihrer Petition heißt es: "Hier wohnen Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, um in Frieden zu leben. Grauenvoll, wenn sie mit dem Tode durch den Brandanschlag bedroht werden." Außerdem geht es der Frau darum, dass Brandstiftungen wie in Germering nicht "in der Öffentlichkeit bagatellisiert" werden. Die Petition findet sich unter http://chn.ge/K89ULS im Internet. Bis Donnerstagabend wies die Petition 27 Unterschriften auf. Sind 100 zusammen, will sie ihre Aufforderung an Herrmann sowie an Landrat Thomas Karmasin und Oberbürgermeister Andreas Haas (beide CSU) schicken.

Die Polizei sagte am Donnerstag zu, die Flüchtlingsunterkunft stärker zu beobachten. Seit dem Brand seien die Beamten besonders sensibilisiert, hieß es. Laut einem Sprecher des Polizeipräsidiums Ingolstadt wird die Germeringer Inspektion deshalb mehr Präsenz zeigen. Dazu, in welcher Form das geschieht, will man sich aus polizeitaktischen Gründen nicht äußern. Auch ein Sprecher des Innenministeriums bestätigte, dass das Asylbewerberheim nun verstärkt von Polizeistreifen angefahren werde. Zuletzt seien die Polizeipräsidien in Oberbayern zum Jahresende in dieser Richtung sensibilisiert worden. Deshalb werde eigentlich nur umgesetzt, was schon vorgesehen war.

Am Donnerstag beschäftigte die Sicherheitskräfte vor allem die Bewertung der neuen Lage. Und zur besonderen Lage der Germeringer Einrichtung gehört auch, dass die in der Nachbarschaft von Golfplatz und Kleingartenanlage gelegene Unterkunft bisher als unproblematisch galt und von der Bevölkerung akzeptiert wird. Im Gegensatz zu dem Quartier in der Gemeinde Mammendorf gab es in der Stadt nie Proteste gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Das Germeringer Heim zeichnet sich durch seine besondere Offenheit aus. Das Haus steht bisher jedem Besucher offen. Zudem gibt es zurzeit in der Stadt auch keine rechte Szene mehr, von der Aktivitäten gegen ein Flüchtlingswohnheim ausgehen könnten.

Unabhängig von den jeweiligen lokalen Besonderheiten gehört für Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer jede Asylbewerberunterkunft zu den besonders schützenswerten Objekten. Zur Art, wie hier die Sicherheit gewährleistet werde, gebe es intern abgesprochene Vorgehensweisen, sagte er. Kammerer wies aber auch darauf hin, dass beispielsweise Reibereien oder Streitereien unter den Bewohnern sowie von Flüchtlingen begangenen Straftaten polizeiliche Aktivitäten auslösen könnten. Deshalb schließt Kammerer nicht aus, dass ein Heim wie das in Germering auch zum Objekt politisch motivierter Taten werden könne.

Andreas Weinhold ist Mitarbeiter des Landratsamtes. Er betreut in elf Unterkünften, unter anderem in Fürstenfeldbruck, Olching, Grafrath, Schöngeising und Gröbenzell, insgesamt rund hundert Flüchtlinge und Asylbewerber. Weinhold sagte am Donnerstag, diese Menschen hätten sich bisher im Landkreis sehr sicher und wohl gefühlt. Und er denke deshalb nicht, dass nun die Zufriedenheit in Angst umschlage: "Sie sagen, in Deutschland ist es schön, hier kann man über die Straße gehen, ohne erschossen zu werden." Schließlich kämen die Menschen aus Ländern, in denen Krieg herrsche.

"Es gibt keinerlei Erkenntnisse, dass Asylbewerberheime nun besonders gefährdet wären", meinte Karmasin. Auch die Polizei habe keine solchen Erkenntnisse. Der Landrat sagte aber auch, eigentlich wisse er nach wie vor nicht, wie er den Vorfall vom Mittwoch einschätzen solle. Schließlich sei der Anschlag gegen ein Büro der Regierung von Oberbayern gerichtet gewesen.

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