Musik:Wohlklingender Wattebausch

Klassik Germering

Elisabeth Brauß springt kurzfristig als Ersatzpianistin ein.

(Foto: Günther Reger)

Gelungenes Konzert mit dem Georgischen Kammerorchester

Von Klaus Mohr, Germering

Das Georgische Kammerorchester hat sich im Konzertleben nicht nur einen guten Namen erspielt, es hat auch eine besondere Geschichte: 1964 in der georgischen Hauptstadt Tiflis gegründet, übersiedelte es 1990 nach Ingolstadt und besteht bis heute aus einer großen Zahl an georgischen und osteuropäischen Musikern. Auf dem Internetauftritt des Orchesters heißt es, dass "Kontinuität das Prinzip dieses sehr osteuropäischen Orchesters" ist, und dass es seinen Charakter auch im Exil bewahren konnte. Beim Gastspiel des Georgischen Kammerorchesters im Orlandosaal im Rahmen der Klassik-Reihe konnten sich die Zuhörer selbst ein Bild vom "Charakter" dieses Ensembles machen, das aus zwanzig Streichern besteht. Dirigent des Abends war Mihhail Gerts. Die vorgesehene Klaviersolistin Sophia Pacini musste kurzfristig krankheitsbedingt absagen, für sie sprang die 21-jährige Elisabeth Brauß ein.

Mit Edvard Elgars Serenade für Streichorchester in e-Moll op. 20 wurde der Abend eröffnet. Das Werk war dem Georgischen Kammerorchester wie auf den Leib geschrieben: Die englische Noblesse, die die Faktur dieser Serenade wie ein übergreifendes Motto durchzieht, traf auf ein Ensembles, das auf Wohlklang in hoher Perfektion spezialisiert zu sein scheint. Die Balance der Stimmen war perfekt austariert und die Legatobögen überzeugten dadurch, dass sie jeweils bis zum Ende durchgehört waren. Zur intensiven Tongebung gesellte sich ein ganz organisch wirkendes Vibrato. Dynamisch gerieten die leisen Töne besonders eindringlich, aber auch im Mezzoforte und im Forte wurde der Rahmen des ausgewogenen Schönklangs nie verlassen. Auf diese Weise kam die Musik des Kopfsatzes (Allegro piacevole) wie in einen Wattebausch gehüllt beim Hörer an, gut gepolstert, ohne Ecken und Kanten. Dem Mittelsatz (Larghetto) lag eine elegisch ausgebreitete Melodie in der ersten Violine zugrunde, die von den Musikern mit großer Ruhe und Einfühlungsvermögen zelebriert wurde. Der Dirigent verstärkte in diesem Kontext die in der Komposition und dem Orchester gut vorgebildeten Klangvorstellungen. Er arbeitete diese durch eine sorgsame, mehr den Klang formende als ihn herausfordernde Gestensprache heraus.

Auch die Simple Symphony von Benjamin Britten für Streicher op. 4 atmete nach der Pause einen ähnlichen Geist. Dem gediegenen Klang wurde im sehr raschen Kopfsatz eine gut kalkulierte, federnde Leichtigkeit hinzugefügt. Die große Geste brachten die Musiker im nächsten Satz, mit "Playful Pizzicato" überschrieben, ein: Sie verstanden es, erleichtert durch das sehr zügige Tempo, aus den Einzeltönen musikalische Bögen zu formen. Mit der schmachtenden Kantilene im kraftvollen Legatosound traf der Komponist im folgenden Satz (Sentimental Sarabande) in den Kern der Stärken des Georgischen Kammerorchesters, bevor kraftvolle Fanfaren in archaischer Klanglichkeit im Finale musikalisch auf englische Traditionen hindeuteten.

Den zwei britischen Komponisten standen zwei Werke von Wolfgang Amadeus gegenüber, zunächst das Klavierkonzert in Es-Dur KV 271 mit dem Beinamen "Jeunehomme". Für die Interpretation von Solistin und Orchester war erschwerend, dass sich die Zusammenarbeit kurzfristig ergeben hatte und damit eine ausreichende Probenzeit nicht zur Verfügung gestanden haben dürfte. Auf diese Weise gab es auf Fragen des Tempos und der grundsätzlichen Herangehensweise für den Zuhörer in gewisser Weise jeweils zwei Antworten, eine vom Orchester und eine von Elisabeth Brauß. Das Georgische Kammerorchester bewegte sich auch bei Mozart in den routinierten Bahnen, die zu seinen großen Stärken gehören. Die Pianistin verfolgte das Ziel, kurze Töne sehr kurz, das Tempo eher rasch und Tonleiterpassagen sehr perlend zu nehmen. Da war es dann sehr interessant zu erleben, wie sich beide in sich stimmige Konzepte in einer Passage wunderbar aneinander annäherten. Diesen Vorgang konnte man immer wieder in ähnlicher Weise nachvollziehen. Elisabeth Brauß verfügte dabei über die erforderliche Virtuosität, fand aber nicht immer zu einer wirklich konsistenten Anschlagsqualität, so dass der Eindruck manchmal etwas indifferent blieb.

Am Ende gab es lang anhaltenden Beifall, dem mit Mozarts Kleiner Nachtmusik eine bekannte Zugabe folgte. Ab einem gewissen Punkt aber traf Mozart auf die Volksmusik Georgiens, so dass sich zwei Welten trafen, die zwar nicht zusammenkommen, aber doch respektvoll nebeneinander existieren können.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: