Museum Fürstenfeldbruck:Als die Welt ihre Farbe verlor

Die Ausstellung "... und dann brach der Krieg herein" zeigt anhand von Grafiken eindrucksvoll, wie sich Kultur, Gesellschaft und Künstler in den Jahren 1900 bis 1918 entwickelt haben

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Es ist, als sei mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs alle Farbe aus der Welt gewichen. Diesen Eindruck bekommt zumindest, wer die Grafiken der aktuellen Ausstellung ". . .und dann brach der Krieg herein!" im Museum Fürstenfeldbruck betrachtet. Sie zeigen die Entwicklung dieser oft unterschätzten Kunstgattung in den Jahren 1900 bis 1918. Während die Grafiken in der Vorkriegszeit noch häufig mit gedeckten Farben erscheinen, wird mit Kriegsbeginn das Schwarz dominierend. Und auch die Thematik ändert sich: Spiegeln die Werke bis 1914 noch eine sich internationalisierende Gesellschaft und Kunstwelt wider, folgt danach der Rückzug ins Nationale und Patriotische.

Mit dem Anfang des 20. Jahrhunderts erlebte die Jahrhunderte alte Technik des Farbholzschnitts eine Renaissance. Er war günstig und deshalb bestens geeignet, um Kunst in großen Mengen unters Volk zu bringen. Die Grafiker wollten so aus dem Elfenbeinturm der Akademien und Intellektuellen ausbrechen und die Kunst demokratisieren.

Inspiriert wurden sie dabei durch die japanische Kunst, die in dieser Zeit immer häufiger in großen Ausstellungen in ganz Europa zu sehen war. Die Avantgarde von Paris über Wien bis Prag zeigte sich begeistert von den bunten Holzschnitten aus Fernost. Farbwelten und Ästhetik wurden übernommen, nur die Motive änderten sich. Am deutlichsten zeigt sich das in Josef Stoitzners Druck "Winterliches Hochgebirge". Die realistisch herausgearbeitete Landschaft dient als Skizze für intensive Farbflächen.

Muserum FFB

Die Museumsleiterinnen Angelika Mundorff und Eva von Seckendorff sind die Köpfe hinter der gelungenen Ausstellung.

(Foto: Günther Reger)

Die idyllische Darstellung von Landschaften und Städten prägt einige der Vorkriegsdrucke. Vor allem die Städte aber zeigen noch etwas anderes. Exemplarisch dafür stehen zwei Grafiken von Carl Thiemann, "Rothenburg Rödergasse" von 1910 und "Flämische Brücke in Brügge" von 1915. Während erstere noch mit weichem Strich die Stadtszenerie betont, die Schönheit der historischen Gebäude, ziehen beim Werk von 1915 schon düstere Wolken am Horizont auf, die Linien werden dünner und härter. Trotz der immer noch deutlichen Schönheit der Stadt, wirkt das Bild, gerade in der direkten Gegenüberstellung, wesentlich bedrohlicher. Es sind solche Nuancen, die dem Besucher in der Ausstellung immer wieder Hinweise auf die historische Entwicklung geben. Allerdings muss man nicht permanent nach solch subtilen Veränderungen suchen. Zwei Abschnitte der Ausstellung zeigen ganz konkret die Veränderungen in der Thematik und Darstellung der Künstler.

Unter dem Titel ". . . im Dienst des Vaterlandes" wird gezeigt, wie sich Künstler, die vorher weltoffen waren sich nun in den Dienst der Propaganda stellen. So taucht nun plötzlich ein Porträt Goethes auf, das im Stil eines Herrscherbildnisses den Führungsanspruch der deutschen Kultur untermauern soll. Statt Künstler-Metropolen werden nun Kriegsschauplätze und Frontlandschaften gezeigt. Der 21-jährige Josef Weisz hat einen ganzen Zyklus von skizzenhaft reduzierten Kampfszenen geschaffen, um sich als Kriegszeichner zu bewerben.

Museum FFB

In einem Kriegstagebuch hat Erich Gruner Szenen von der Front festgehalten. Dabei stellt er nicht die Brutalität auf dem Schlachtfeld dar, sondern kleine, oft bedrückende Szenen aus dem Alltag.

(Foto: Günther Reger)

Ein zweiter Teil widmet sich den Eindrücken von Künstlern, die selbst kämpfen mussten. So zeichnet Erich Gruner in einem Tagebuch karikierend Szenen von der Front. Die ausgewählten Grafiken belegen allesamt jedoch keine explizit brutalen Kampfszenen, sondern verklärend die "ruhigeren" Momente dazwischen und danach. Das liegt auch am Material, das den Museumschefinnen Angelika Mundorff und Eva von Seckendorff zur Verfügung stand. Alle 100 gezeigten Grafiken stammen aus der Privatsammlung des Brucker Arztes Hans Kretschmer, die die Familie dem Museum 2005 übereignet hat und die solche Szenen einfach nicht beinhaltet. Der Fokus liegt auf Künstlern aus Osteuropa, was sich auch in der Ausstellung zeigt.

Der Titel ". . . und dann brach der Krieg herein!" stammt aus einem langen Zitat Siegmund Freuds, in dem er 1915 den Verlust der Schönheit der Welt beklagte. Alle Errungenschaften der Kultur, die Hoffnung auf Überwindung des Rassismus und Nationalismus sah er zerstört, das Böse in den Menschen wieder entfesselt. Das ist es, was die Ausstellung deutlich macht. Absatz für Absatz nimmt sie sich einen Teil des Zitats vor und zeigt anhand von Bildern, wie klar Freuds Analyse zutrifft. Dem Museum gelingt es, durch Kunst nicht nur die Historie deutlich zu machen, sondern eine eigene Geschichte zu erzählen.

Ausstellung ". . . und dann brauch der Krieg herein!", Museum Fürstenfeldbruck, von Donnerstag, 26. Oktober, bis zum 15. April 2018. Katalog zur Ausstellung 8,90 Euro

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