Münchner Abfallentsorgung:Vom Muster-Recyclingbetrieb zur Schadstoffdeponie

Müll-Fabrik Puchheim

Heute würde man das, was im Sortierraum der Müll-Fabrik gesammelt wurde, Sekundär-Rohstoffe nennen.

(Foto: oh)

Eine kleine Ausstellung im Rathaus erinnert an die Geschichte der Puchheimer Hausmüllfabrik sowie die Deponie auf der Planie

Von Peter Bierl, Puchheim

Keine Einrichtung hat Puchheim mehr geprägt als die Münchner Hausmüllfabrik, die 1898 südlich der Bahn in Betrieb ging. Bis dahin war dieses Moorgebiet kaum besiedelt. Sortierbetrieb und Deponie boten etwa 200 Arbeitsplätze und lockten Menschen an. Heute steht dort das Zentrum von Puchheim. Zum 125 -jährigen Bestehen der Münchner Abfallwirtschaft und zur Feier der Puchheimer Stadterhebung vor fünf Jahren erinnert die Kommune mit einer Ausstellung an die Hausmüllfabrik, einen der weltweit ersten Recyclingbetriebe überhaupt.

Im Sitzungssaal des Rathauses werden Fotos vom Betrieb der Sortieranlage und der Arbeit auf der Deponie, von den Fabrik- und Verwaltungsgebäuden sowie den Hochhäusern der Planie gezeigt, die vom Ende der Sechzigerjahre an entstanden. In kurzen Texte werden die Inhalte der Bilder erklärt und die Geschichte der Hausmüllfabrik erzählt. Die Informationen und Bilder haben Stadtarchivarin Mandy Weidner und ihr Vorgänger, der Journalist Werner Dreher, recherchiert.

Einen Grundstock bilden die Fotos, die Johann Aichner vom Verein Buchhamer schon vor Jahrzehnten zusammengetragen hat. Einiges hat Erich Hage beigesteuert, der Vorsitzender der Volkshochschule, der sich mit der Geschichte Puchheims im frühen 20. Jahrhundert beschäftigt. Erika Schmidt hat eine Stele mit Resten von Porzellangeschirr und Nippes geschaffen. Die Relikte hat sie in den Achtzigerjahren bei Spaziergängen auf der Puchheimer Flur zusammengetragen. Ein roter Einschnitt auf dem Objekt soll auf blutige Zeitgeschichte, die Weltkriege und die NS-Zeit hinweisen.

Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) sprach in seiner Rede am Montag zur Eröffnung der Ausstellung von einem ambivalenten Verhältnis. Die Hausmüllfabrik, wie sie offiziell hieß, widmete sich der Rückgewinnung von Metallen, Glas, Porzellan und vor allem von Altkleidung und Lumpen, die gereinigt und wieder verwertet wurden.

Der Rest wurde zum Teil zu Dünger verarbeitet oder auf einer Fläche von 170 Hektar bis zu sechs Meter hoch aufgeschüttet. Damals dachte man, durch das Material den Moorboden in fruchtbares Ackerland verwandeln zu können. 1904 wurde deshalb ein Gutshof angelegt und es wurden landwirtschaftliche Versuche gemacht.

In den Neunzigerjahren entdeckte man polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), von denen einige krebserzeugend sind. Es handelt sich um Rückstände aus der Asche, die wiederum von der Kohle aus Penzberg stammt. Diese Asche wiederum war einer der Hauptbestandteile des Hausmülls. Der anfängliche technische Musterbetrieb verwandelte sich damit in eine Schadstoffdeponie, bilanzierte der Bürgermeister. Wenn das Gelände heute genutzt werden soll, muss der Boden ausgetauscht werden. "Wir müssen das Beste daraus machen, etwa einen Golfplatz", meinte Seidl.

Die Müllentsorgung war eine späte Konsequenz der Cholera, die in München noch in den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts gewütet hatte, wie Weidner erzählte. 1891 erließ der Magistrat der Landeshauptstadt die erste Abfallsatzung. Seitdem fuhren die Haritschwagen, einrädrige Karren, zweimal in der Woche durch die Stadt. "Man möchte gar nicht wissen, wie es vorher in München ausgesehen und gestunken hat", sagte die Archivarin. 1897 schloss die Stadt mit der Hausmüllverwertung GmbH einen Vertrag über die Entsorgung und das Unternehmen fand einen geeigneten Standort mit Gleisanschluss bei Puchheim.

1929 wurden knapp 200 000 Tonnen Müll auf 2800 Waggons nach Puchheim transportiert und verarbeitet. Auf der Deponie gab es immer wieder Brände, die oft monatelang schwelten. In der Weltwirtschaftskrise und nach dem Zweiten Weltkrieg durchstöberte die Bevölkerung die Halden nach Nahrung und Wertstoffen. "Die Müllhalde war eine Goldgrube, sie hielt uns am Leben", zitierte Weidner eine Zeitzeugin.

Dennoch schwand die Begeisterung in Puchheim. 1941 wandte sich Bürgermeister Josef Steindl gegen eine Vertragsverlängerung für den Betrieb dieses "Schandflecks". Acht Jahre später übernahm die Stadt München selbst die Müllbeseitigung, und die Anlage in Puchheim wurde geschlossen.

Die Ausstellung über die Puchheimer Hausmullfabrik ist bis 15. Juli während der Öffnungszeiten des Rathauses im Sitzungssaal zu sehen.

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