Mitten in Puchheim:Niederlage für Händel

Wenn der EM-Spielplan mit Kulturveranstaltungen kollidiert, haben Letztere meist das Nachsehen

Von Christian Hufnagel

Wer an höhere Mächte in Gestalt eines prophetisch veranlagten Mops glaubt, musste seinen Sonntagsausflug nicht beschneiden und in Hektik nach Hause eilen. Schließlich hatte das anerkannte Orakel Chico aus Puchheim den Sieg vorausgesagt. Der Hund kann zwar noch nicht sprechen, lief aber schnurstracks zum Napf mit der Deutschland-Fahne - vorbei an der slowakischen Wurst. Seine kulinarische Vorliebe wird ja als Weissagung ausgelegt. Also sollten Löws Mannen siegen. Darauf hätte sich jeder Leichtgläubige verlassen können und seinen gewohnten sonntäglichen Plan nicht umschmeißen müssen, um pünktlich zum Anpfiff vor dem Fernseher zu sitzen.

Die Misstrauischen gegenüber allem metaphysischem Gewirke hatten aber den EM-Plan im Kopf und sich nach ihm gehalten. Zumindest unter den Veranstaltern. Es war nämlich ansonsten im Landkreis fast nichts los. Die Grafrather Firma, die ins Naturschutzgebiet hinein bauen will, beschloss ihren Informationstag eine Stunde vor dem Anstoß. Nur wer sich "Alte Musik in und um St. Georg Roggenstein" anhören wollte, musste auf die zweite Halbzeit verzichten. Aber da stand es bei erdrückend hohem Ballbesitz ja auch schon 2:0.

Ein ähnliches Schicksal hätte nun auch kommenden Samstag jenen fußballbegeisternden Theaterliebhabern gedroht, die in der evangelischen Kirche in Puchheim "Die Auferstehung des Georg Friedrich Händel" miterleben wollten. Sie hätten die erste Hälfte des EM-Viertelfinales verpasst, wollten sie "die dramatischen Ereignisse im Leben des großen Komponisten aus Sicht seiner Haushälterin Dolly" in Form eines Ein-Personen-Stücks dem schnöden Massensportspektakel vorziehen. Doch einen möglicherweise tief greifenden Zwiespalt will der Hausherr und Seelsorger "niemanden zumuten". Pfarrer Markus Ambrosy sagte den Theaterabend ab und öffnet die Kirche zum "gemeinsamen Fußballschauen". Allerdings verbindet er damit schon eine Forderung, die natürlich durchaus übernatürliche Züge trägt: "Im Gegenzug erwarte ich mir aber eine überzeugende Leistung der Deutschen."

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