Mitten in Puchheim:Die biologisch abbaubare Kultur

Ein Beschluss des Stadtrats könnte die Archäologie der Zukunft vor Probleme stellen

Von Peter Bierl

Unsere Epoche wird als Dunkles Zeitalter in die Geschichte eingehen. Nicht wegen nationaler Engstirnigkeit, Umweltkatastrophen oder gar einem Atomkrieg. Sondern weil unsere Bauwerke aus Glas, Metall, Beton und Rigipsplatten viel schneller zerfallen sein werden als die Pyramiden. Was Archäologen in solchen Fällen bleibt, sind Gräber wie der Friedhof der Bajuwaren in Emmering oder die keltischen Grabhügel bei Schöngeising. Selbst solche Relikte wird es allerdings gar nicht mehr geben, falls ein Beschluss des Puchheimer Stadtrats Schule macht: Das Gremium hat per Friedhofssatzung verfügt, dass unsere Asche in biologisch abbaubaren Urnen endzulagern ist.

Solange wir im postfaktischen Zeitalter verbleiben, würde unsere Existenz von späteren Chronologiekritikern und Verschwörungsideologen als Fake abgetan werden, wie es schon mal mit der Epoche Karls des Großen probiert wurde. Oder die Postmoderne würde mangels Hinterlassenschaften als zivilisatorischer Rückfall bewertet, als Dunkles Zeitalter eben, wie die griechische Geschichte zwischen Homer und Perikles, nachdem die Hellenen sich mit den Palastbauten von Knossos und Mykene ruiniert hatten und in Erdhöhlen zurückkrochen.

Schließlich werden beim Bau des dritten Münchner Weltraumbahnhofs die Tore des Puchheimer Kulturzentrums ausgegraben und einem Nerd gelingt es, eine steinalte Festplatte aus dem Rathaus zu öffnen. Diese Relikte gewähren den Archäologen der Zukunft einen Blick in eine rätselhafte Vergangenheit, auf eine Biournengräberfeldkultur, deren Untergang wohl auf eine fetischistische Alltagsreligion zurückzuführen ist.

Statt gesellschaftliche Widersprüche ernsthaft anzugehen, glaubten die Menschen an die Wirkung ritueller Ersatzhandlungen und Beschwörungsformeln. So fand sich auf einem Puchheimer Artefakt aus dem frühen dritten Jahrtausend ein Text in binärer Schrift, wonach Grabsteine verboten waren, die aus schlimmsten Formen der Kinderarbeit resultierten. Ganz normale und sogar schlimme Formen waren in dieser barbarischen Kultur allerdings erlaubt, obwohl Maschinen und Roboter längst bekannt waren.

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