Es ist eine der schönsten Erfindungen des Christentums: das Paradies. Ein Ort, an dem es gutes Essen im Überfluss gibt und niemand arbeiten muss. Adam und Eva durften dort leben, zumindest für einige Zeit, bis sich Eva von der Schlange zu dieser blöden Geschichte mit dem Apfel hinreißen ließ. Eine Konsequenz war, dass unsere Vorfahren aus eben jenem Paradies vertrieben wurden. Eine andere ist, so erzählt es die Bibel, dass Frauen immer noch bei der Geburt schreckliche Schmerzen leiden und außerdem von ihren Männern beherrscht werden sollen. Und weil Adam damals auf die Frau gehört hat, ist der Mann dazu verdonnert, anstrengender Arbeit nachzugehen. Bis heute kommt der Mensch nicht zurück ins Paradies, weil der Eingang trotz der exakten Geografie des Alten Testaments noch nicht gefunden wurde. Selbst wenn es einmal soweit sein sollte, wäre es problematisch, weil Gott in seinem Zorn damals ein paar Hüter und ein flammendes Schwert in den Weg gestellt hat.
Also haben die Menschen mit der Entdeckung der Werbeindustrie damit begonnen, sich ihre eigenen Paradiese zu schaffen: Entspannungsparadiese, Spielparadiese, Einkaufsparadiese. In Bruck gibt es bei einem Orthopäden sogar ein Kinder-Fuß-Paradies. Dass "irgendwas mit Paradies" immer ein solider Werbeslogan ist, hat wohl auch das Olchinger Bauunternehmen gehört, das aktuell direkt am Estinger Bahnhof baut und dort für seine "Residenzen mit Wohnkultur" wirbt. "Mein Paradies beginnt an meiner eigenen Haustür", heißt es dort auf einem Plakat, das den Bauzaun schmückt.
So also stellt man sich in Olching das Paradies vor: Ausblickt auf die Bahnschienen, S-Bahn-Lärm im 20-Minuten-Takt und dazu noch Ortsrandbesiedlung im Rücken. Immerhin sind die Freiwillige Feuerwehr und eine Apotheke in der Nähe. Vielleicht aber weiß der Bauunternehmer etwas, das der Normalsterbliche noch nicht weiß und verkündet es bei der Einweihung der Gebäude. Etwa, dass der Eingang zum Paradies gefunden wurde, unter dem nahen Solarzellen-Feld vielleicht. Und die Feuerwehr steht bereit, das flammende Schwert zu löschen und die Hüter zu verjagen.