Mitten in Germering:Linker Arbeitsfetisch

Wahlkampfveranstaltung bringt die Forderung nach guter Arbeit. Wie diese aussehen soll, darüber lässt sich gut nachdenken

Von CHRISTIAN LAMP

Auch die Linken bei ihrer Veranstaltung in Germering reden wieder davon. Es ginge nicht bloß um Arbeit, sondern um "gute Arbeit", wie Jutta Hindelang klarstellt. Und auch der Stargast des Abends, Klaus Ernst, schwadroniert von der ominösen guten Arbeit. Eigentlich wird das an diesem Abend nur in Position gebracht gegen Lohnkürzungen und prekäre Arbeitsverhältnisse. Problematisch wird es mit dem Slogan "Gutes Geld für gute Arbeit". Mit Ernsts Lieblingsfloskel: Warum? Nächste Floskel: Ganz einfach. Die Gleichsetzung drückt zunächst die Feststellung aus, dass schlechte Arbeit - prekäre Beschäftigung - keine guten Löhne zahlt. Und dass momentan selbst für gute Arbeit keine guten Löhne gezahlt würden. Es impliziert zudem den politischen Anspruch, dass schlechte wieder zu guter Arbeit werden und für gute Arbeit auch wieder gutes Geld gezahlt werden soll. Schließlich aber drückt der Spruch invers aus: Für keine Arbeit kein Geld. Und zwar als normative Forderung.

Gerichtet ist das, natürlich, gegen die Profiteure, die Schmarotzer, die von der Arbeit der schuftenden Anderen leben würden. Das geht zurück auf Marx, der in seiner Arbeitswertlehre zeigt, dass ohne die strukturelle Ausbeutung der Arbeit kein sogenannter Mehrwert entstünde, der sich als Kapital verselbstständigen könnte. So scheint es naheliegend, dass aller Wert durch Arbeit statt Kapital entsteht und der Kapitalist (als Person - bei Marx tritt er wohlweislich nur als Charaktermaske auf) nur der böse unproduktive Schmarotzer ist. Das meint dann aber genauso den Faulpelz, der nicht arbeitet. Wenn nur Arbeit Wert schafft, ist der Nichtarbeitende wertlos.

Dieser Arbeitsfetisch war stets dem Vulgärmarxismus inhärent, für diese Glorifizierung der Arbeit(er) verriss Marx schon das 1875 verabschiedete Gothaer Programm der SPD. Denn der Fetisch basiert auf einem Missverständnis. Marx spricht zwar davon, dass ohne lebendige Arbeitskraft kein Wert entstünde. Aber nach seiner Theorie ist es nicht die Kategorie Arbeit, die Wert schafft, sondern die im Geld vermittelte gesellschaftliche Tauschrelation. Eine nicht getauschte Ware hat keinen Wert. Ohne kapitalistische Zustände lässt sich überhaupt nicht davon sprechen. Die Formel von Marx war deshalb: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen." Bei den Parteilinken aber ist das Kapital und die Knechtschaft in der Parole "Gutes Geld für gute Arbeit" stets implizit mitgesetzt.

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