Mitten in Germering:Gott, Kaffee und die Flatrate

Die evangelische Kirche reagiert auf den Zug der Zeit

Kolumne von Christian Hufnagel

Das schnöde Kaffeetrinken ist ja gottlob schon seit geraumer Zeit aus plüschigen Omarunden fortbewegt worden, hat buchstäblich Beine bekommen und läuft nun als modernes dynamisches Wesen in aller Öffentlichkeit umher. Und weil das mit dem "to go" so wunderbar funktioniert, versuchen sich auch andere angestaubte Beschäftigungen mit dem verbalen Wischmopp aufzuhübschen. Ergebnis ist ein geradezu inflationärer Gebrauch, so dass beispielsweise Zen, Nachrichten oder Lebensmittel zum Gehen zu finden sind. Da kann das transzendentale Grundbedürfnis nicht ausgespart bleiben, speziell der religiöse Ansatz versinkt ja zunehmend unter einer dicken Staubschicht.

Den Glauben aufpolieren will die evangelische Erlöserkirche in Fürstenfeldbruck da mit einem neuartigen Angebot, das sich in der Begrifflichkeit eben an den mobilen Kaffeegenuss anlehnt: "Gott to go." Das verspricht ein Gottesdienst, der in freier Form und mit modernen Liedern eine intensive Erfahrung von Gemeinschaft und Kommunikation vermitteln wolle, "um diese in den Alltag mitzunehmen", lobpreist die Pressemitteilung, die sodann griffig zum liturgische Ziel findet: Gott zum Mitnehmen. Ein Angebot, das dem Vorbild der Kaffeeindustrie folgt, dieser gegenüber aber den Vorteil hat, keine Mülldiskussion auszulösen. Schließlich ist der Mensch als körperliches und seelisches Behältnis zwar auch keine Mehrwegverpackung; ihm wohnt aber gemeinhin eine längere Nutzungsdauer inne als einem Pappbecher mit Plastikdeckel.

Von einem weiteren hippen verkaufsfördernden Anglizismus ist die Religion noch einen Werbewurf entfernt, nicht aber der derzeitige branchenübergreifende Marketingmotor: der Kaffee. So lockt das Germeringer Cineplex-Kino das weibliche Geschlecht an diesem Donnerstag zum "Frauen-Film-Frühstück" mit einer durchaus billig zu nennenden Offerte: zum cineastischen Vergnügen gibt es eine "Kaffee-Flat". Im Pauschalpreis von zwölf Euro enthalten ist also ein "grenzenloser Kaffeegenuss", was offenbar geeignet erscheint, um Frauen ins Kino zu locken. Und sollte das nicht Wirkung zeigen, mag ja zum nächsten Film eine Kaffee-Flat to go das Interesse wecken.

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