Mitten in Germering:Fake News als Handwerkszeug

Der Jungen Union unterläuft ein peinlicher Fehler

Von Peter Bierl

Man könnten meinen, Donald Trump habe die Fake News erst erfunden und bis dahin hätten Politiker und Journalisten nichts als die reine Wahrheit verbreitet. Dabei gehört Desinformation schon immer zum Handwerkszeug im Politik- und Medienbetrieb: Man denke an Neros Vorwurf, die Christen hätten Rom angezündet oder die konstantinische Schenkung, in der der römische Imperator dem Papst die Herrschaft über den Erdkreis zugeschustert haben soll. Rechtzeitig zu Beginn der heißen Wahlkampfphase hat die Junge Union Germering sich nun das Verdienst erworben, allen selbstgerechten Heuchlern zu beweisen, dass auch Verteidiger westlicher Werte falsche Informationen produzieren können. Der CSU-Nachwuchs nutzte die Empörung über die Krawalle in Hamburg und postete zwei Tweets des SPD-Kanzlerkandidaten. Im ersten verlangt Martin Schulz, die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Im zweiten Tweet heißt es, er halte Linksextremismus für ein aufgebauschtes Problem und wolle mit dessen Fürsprechern von September an regieren. Dieser Versuch aus der Provinz, eine neuerliche Rote-Socken-Kampagne zu starten, ist daneben gegangen. Der zweite Tweet war leicht als Fälschung zu entlarven.

Die Jusos und der SPD-Bundestagskandidat Michael Schrodi reagierten mit Empörung. Vertreter der Jungen Union haben sich inzwischen bei den Jusos entschuldigt und wollen den SPD-Nachwuchs sogar auf eine Pizza einladen, wie die Kreisvorsitzende Tran Thi Thu Thuy der SZ erklärte. Besonders peinlich ist die Geschichte auch deshalb, weil die JU unlängst eine Veranstaltung unter dem Titel "Fakt oder Fake?" abgehalten hat, in der es darum ging, sich im postfaktischen Zeitalter richtig zu informieren. Zur Entschuldigung führte Thuy jetzt an, dass der Vorstand erst im April neu gewählt worden sei und aus lauter jungen Leuten bestehe.

"Das war ein riesiger Fehler und wird nicht wieder vorkommen", versicherte Alexander Sichert, der JU-Vorsitzende von Germering. Das sei die persönliche Meinung jenes Vorstandskollegen gewesen, der im Team für den Bereich Social Media zuständig ist. "Er sieht jetzt selber ein, dass das falsch war und bereut es." Wer es war, mochte der Vorsitzende nicht verraten, alle trügen die Verantwortung. Personelle Konsequenzen soll der Vorfall nicht haben. So kennt man das: Auch die Päpste genossen dank der falschen Urkunde die Herrschaft über Bella Italia bis 1861 und Nero fiel erst viel später einer Verschwörung von Militärkommandanten zum Opfer, weil nicht jede Verschwörung reine Fiktion ist.

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