Mitten in Fürstenfeldbruck:Zwischen Wissen und Gewissen

Autofahren auf einer Schnellstraße ist gefährlich. Darf man also wegen einem Tier bremsen oder soll man weiterfahren?

Kolumne von Christian Hufnagel

Dass Autofahren in jeder Sekunde unberechenbar sein kann, ist im Grunde Basiswissen, das jedoch erst immer dann schlagartig ins Bewusstsein knallt, wenn diese Sekunde unvorhergesehen die Aufmerksamkeit anknipst. So wenn auf einer viel befahrenen Bundesstraße wie der B 471 ein Vordermann plötzlich seinen Kleintransporter auf gerader Strecke zwischen den beiden Fürstenfeldbrucker Anschlussstellen abbremst, am schmalen Rand zur Böschung diesen zum Stehen bringt und hinter ihm fünf, sechs Fahrzeuge zur gleichen Reaktion gezwungen werden. Der Mann springt aus seinem Fahrzeug, wild gestikulierend, dass alle stehen bleiben sollen. Er will helfen.

Im Vorbeifahren hatte er auf der Gegenfahrbahn einen Bussard gesehen, der torkelte und offenbar nicht mehr fliegen konnte. Um zu dem Greifvogel zu gelangen, eilt er über die Straße und hat durchaus Glück, dass nur ein Fahrzeug in entgegengesetzter Richtung an ihm vorbeirauscht. Doch dessen Lenkerin hält nicht und weicht auch nicht aus, sondern überfährt das verletzte Tier und setzt die Fahrt unvermindert fort. Der Retter kommt zu spät. Er hebt den Bussard, der noch zu leben scheint, auf, eilt zu seinem Wagen zurück, legt den Greifvogel auf den Beifahrersitz und fährt weiter.

Der kleine Stau löst sich auf, nicht jedoch sogleich die Gedanken, wer denn nun richtig oder falsch gehandelt hat? Muss ich auf der einen Seite jedes Tier retten, kann ich es auf der anderen Seite einfach überfahren? Fern einer moralischen Bewertung hat die Straßenverkehrsordnung schon Antworten parat. Allerdings könne es hier, wie in fast allen Fällen, keine Pauschalisierung geben, wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Nord erklärt. Grundsätzlich dürfe man weder sich noch andere gefährden, betont er, was den Tierfreund doch als ein wenig unbedacht handelnd erscheinen lässt. Kurz: "Grundlos" stark abzubremsen sei nicht erlaubt. Und ein Vogel sei eher kein Grund für so eine Reaktion, sagt der Polizeisprecher und beruft sich auf die "herrschende Meinung". Demzufolge hätte sich wiederum die Autofahrerin nichts vorzuwerfen, die ein vielleicht waghalsiges Manöver vermieden hat, um den verletzten Greifvogel möglicherweise zu retten.

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