Mitten in Fürstenfeldbruck:Verrückte Sprache

Vom Wandel der Worte für das Seelische

Von christian hufnagel

Dass die Sprache eine herzlose Angelegenheit sein kann, bekommt der Mensch zu spüren, so lange er lebt. Gerade auf dem ebenso weiten wie letztendlich unergründlichen Gebiet des Seelischen sind die Worte von wirklich unerbitterlicher Brutalität, wenn sie beschreiben sollen, was gemeinhin als Abweichung einer wie auch immer genormten Normalität Gestalt annimmt. Wer also buchstäblich aus seiner Rolle fällt, kann froh sein, wenn er nur als "Idiot" oder "Spinner" abgestempelt wird. Muss er sich behandeln lassen, wird ihm vom Volksmund gut und gerne ein "Seelenklempner" an den Hals gedichtet. Und sollte dem Armen das Schicksal ereilen, nicht wieder selbständig aus eigenem Willen ins gelobte Normenland zurückzufinden, schiebt ihn der Sprachgebrauch kurzerhand in die "Irrenanstalt" ab. Mehr Verdrängung, mehr Stigmatisierung geht nicht.

Gleichwohl bemühen sich Feinfühlige schon lange, eine weniger bildhafte Sprache zu verwenden. So sind Psychiater und Psychiatrie keine Fremdwörter mehr. In dem Bemühen, den Schrecken einer psychischen Erkrankung zu mildern, gerät die Deskription aber zuweilen ins Euphemistische hinein. Die Brucker Caritas-Beratungsstelle hat vor kurzem Menschen, die unter Ängsten, Depression oder Schizophrenie leiden, zu einem Informationsabend nach Alling eingeladen und ihnen mit einer durchaus saloppen Frage als Motto die Hemmungen nehmen wollen: "Psychische Probleme: Wer hat die nicht?" lautete der nun wahrlich niederschwellige Lockruf. Und weil dies offenbar gut ankam, kreierte das gleiche Sprachlabor nun einen nicht minder erfrischenden Titel für eine neues "Gruppenfreizeitangebot". Adressaten sind junge Menschen zwischen 18 bis 26 Jahren, eine Altersgruppe, die laut der Organisatoren immer mehr von psychischen Belastungen betroffen ist. Sie sollen bei gemeinsamen Unternehmungen die Möglichkeit erhalten, sich über Stressgefühle und Ängste auszutauschen. Und um eben wenigstens die Angst vor einem Besuch zu zerstreuen, nennt sich die Gruppe natürlich nicht "Die Verrückten", sondern schlicht und peppig "Young and Crazy".

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