Es gibt zwei untrügliche Anzeichen, die auf den zweiwöchigen Wiesn-Wahnsinn hinweisen. Das eine ist der beginnende Lebkuchenverkauf, der schon die Nachwiesnzeit, also Advent, ankündigt. Das andere ist der Hype um die Kostüme für den Oktoberfestevent. Für beide Phänomene sind mitverantwortlich die Supermärkte im Landkreis, die Paletten voll mit Volksfest-Magenbrot bis zum Gewürzspekulatius in ihren Läden stehen haben, ebenso wie Discounter und Kaffeerösterfilialen, in denen Dirndl und Krachlederne zum Schnäppchenpreis angeboten werden.
Wer sich für das Echte interessiert, wer wirklich so aussehen möchte, wie sich der Brucker am Festtag kleidet, für den hält das Rathaus Fürstenfeldbruck eine kleine Lehrsammlung im ersten Stock bereit. Ein Schaufensterpuppen-Paar in Miesbacher Tracht, er mit der grauen Joppe, der grün bestickten Lederhose und den grauen Wadlstrümpfen, sie in einem blauen Dirndl mit weißer Schürze. Einem abgewiesenen Bittsteller, der aus dem Oberbürgermeisterbüro kommt, dürfte angesichts der Tracht tragenden Puppen klar werden, warum sein Antrag in diesem oberbayerischen Rathaus nicht geklappt hat. Er war, zumindest äußerlich, nicht assimiliert. Also ab zum Discounter, um sich möglichst billig mit Krachlederner oder geschnürtem Mieder einzudecken.
Wer die kurze Lederhose mit Träger für 49,99 Euro am Wühltisch erwirbt, sollte dann aber besser nicht darüber nachdenken, wo die Kuh aufgewachsen ist, deren mit welcher Chemie auch immer gegerbtes "anschmiegsames Rindleder" zu diesem Produkt verarbeitet wurde. Auch die Kundin, die zum Pfund Billig-Butter ein "Premium-Dirndl" kauft, möchte eigentlich gar nicht wissen, wo das bunte Gwand zum Hungerlohn geschneidert wurde, damit es für 39,99 Euro in den Laden kommen kann. Aber es geht - in Tracht oder ohne - noch billiger. Im überfüllten Bierzelt dem Nebenmann am voll besetzten Tisch eine Mass über dessen sündteure Designer-Lederne schütten und ganz umsonst eine Tracht Prügel kassieren.