Mitten in Fürstenfeldbruck:Tetraeder kontra Kornkreis

Wo die Messgeräte des Geophysikalischen Instituts vergraben sind, lässt sich auf Google Maps nicht sehen. Dafür ist dort ein anderes Himmelszeichen verewigt

Von Stefan Salger

Der Journalismus ist einem steten Wandel unterzogen, so wie die Welt um uns herum. Setzer, Bildverarbeiter und Korrektoren sind weitgehend wegrationalisiert worden, der Eierwollmilchsau-Lokalredakteur konzipiert und produziert heute Zeitungsseiten druckfertig und trägt das fertige Exemplar am besten gleich noch aus. Die moderne Bürowelt gibt ihm freilich Instrumente an die Hand, mit deren Hilfe er bewegungslos hinter seinem Computerbildschirm verharren könnte. So wie Google Maps, das Satellitenbilder in ordentlicher Auflösung anbietet, egal ob vom Rathaus oder den Stadtwerken oder dem Geophysikalischen Institut auf der Ludwigshöhe, am Rande Brucks. Für frühere Journalistengenerationen wäre so was noch reinster Science Fiction gewesen.

Um uns einen Überblick über den fast fertig gestellten hypermodernen Ringlaser auf der Ludwigshöhe zu verschaffen, greifen wir uns also ganz zeitgemäß eines dieser aus dem Weltraum geschossenen Luftbilder aus dem World Wide Web. Von der Baustelle ist freilich nichts mehr zu sehen. Auch modernste internetbasierte Technologie konnte nicht verhindern, dass die futuristische Hightech-Anlage mit der Spitze voran vergraben und die Baugrube längst wieder zugeschaufelt worden ist. Als der Blick des enttäuschten Betrachters über Bäume, Felder und Wiesen schweift, bleibt er bei Biburg an einem Gebilde hängen, das weitaus spektakulärer wirkt als so ein Langweil-Laser in einem mit dem Kopf im Sand steckenden Tetraeder. 2015 stellte die Abendzeitung klar, jenes Gebilde stamme "aus der fünften Dimension" - mochten blutige Laien auch von einem Kornkreis sprechen und den Schaden kleinkrämerisch auf 3000 Euro beziffern. Das filigrane Oktagramm schlägt klar das plumpe Tetraeder - und hat ganz nebenbei noch doppelt so viele Ecken vorzuweisen.

Aus journalistischer Sicht läge nun eine investigative Recherche über Außerirdische nahe. Würde es einem beim Anblick des Kornkreises von 2015 nicht dämmern, dass es sich hier um eine Reise in die Vergangenheit handelt. Hobby-Einsteins, die uns mit Raum-Zeit-Struktur kommen, mit Gravitation, Paralleluniversen oder Zeitschleifen, sollten jetzt lieber mal die Luft anhalten: Den Kornkreis gab es zwar wirklich. Die nächste Ernte hat er aber nur im Cyberspace überstanden: auf dem Bild wurde er nachträglich einmontiert. 1:0 für die alten Hasen in der Medienbranche. Die kamen mit Telefon, Bleistift und Block aus und gingen keiner angeblichen Zukunftstechnologie auf den Leim. Dann schreiben wir halt doch die Geschichte über den Ringlaser. Und greifen mit gespitztem Bleistift zum Telefon.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: