Mitten in Fürstenfeldbruck:Stadt der Philosophen

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Ein Banner stellt an prominenter Stelle existenzielle Fragen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ein Banner stellt an prominenter Stelle existenzielle Fragen

Von sebastian mayr

Als Stadt der Philosophen hat Fürstenfeldbruck bislang noch keinen Weltruhm erlangt. Das muss nicht so bleiben, denn die großen Fragen der Menschheit werden auch hier gestellt. Die großen Fragen sind die, die man oft nicht auf Anhieb versteht. Manchmal, weil sie so kryptisch gestellt sind. Manchmal, weil sie so viel Raum zum Rätseln lassen. So etwa in Fürstenfeldbruck, auf halber Strecke zwischen dem Bahnhof und dem Verwaltungsbau der Sparkasse. "Wertlos?", fragt da ein Banner, handbemalt am Geländer der Fußgängerbrücke hängend, die über die Oskar-von-Miller-Straße führt. Eine Frage, die wahrlich zum Nachdenken einlädt, über die großen und die kleinen Dinge. Über gerissene Schnürsenkel, über das Lob vom Chef, über die jüngsten Entscheidungen im Stadtrat und über das Leben an sich.

Der Ort zum Nachdenken ist gut gewählt. Nicht nur, weil sich Bruck auf diese Weise zur Philosophenstadt aufschwingen könnte. Nein, auch weil nur 200 Meter weiter eine Ampel wartet. Ein Ort folglich, an dem man seinen Wagen recht häufig verlangsamen und manchmal auch ganz zum Stehen bringen muss. Die Frage nach dem Wert kann also in der erforderlichen Ruhe abgelesen werden. An manchen Tagen reichen Stau und Autokolonne sogar aus, angemessen lange über den Wert und sein Fehlen zu grübeln. Zumindest, bis die Hupe des Fahrzeugs hinter dem des Denkers dezent auf das Ende der Bedenkzeit hinweist. Nicht viel anders als bei einem Schachspiel, bei dem eine Sanduhr anzeigt, dass die Zeit für den nächsten Zug gekommen ist.

An der Ampel fällt die Entscheidung für den nächsten Zug üblicherweise leicht. Losfahren, heißt der in den meisten Fällen. Die Frage nach dem Wert und der Wertlosigkeit ist damit aber noch lange nicht beantwortet. Wer das fragende Banner einmal sehen durfte, wird seine Zweifel wohl nicht mehr los. Die wirklichen Fragen bleiben nämlich offen: Worum geht es bei dieser Frage eigentlich? Und wer will das überhaupt wissen? Aber welchen Wert haben diese Antworten schon? Einfache Lösungen gibt es in der Philosophie ja auch nicht. Die Chancen, dass Fürstenfeldbruck die nächste Stadt der großen Denker wird, stehen also gar nicht so schlecht.

© SZ vom 25.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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