Mitten in Fürstenfeldbruck:Kostbare Patina

Weihnachtsfotos aus der Kindheit besitzt fast jeder. Sie sind eine wunderbare Erinnerung, auch wenn sie nicht von digitaler Perfektion sind

Von Christian Hufnagel

Heiligabend gehört zweifelsfrei zu den meistfotografierten Anlässen in einem Menschenleben. Es dürfte wohl kein Familienalbum geben, das hier Lücken aufweist und nicht eine vergilbte Erinnerung bewahrt, von Pergamentpapier geschützt und durch Fotoecken gehalten. Was bei der Entstehung vermutlich ein wenig peinigte, wenn der hauseigene Lichtbildner einen vor dem Christbaum wie eine Kerze aufstellte und zu einem möglichst beseelten Grinsen anhielt, erstrahlte bald im milden Licht der Sehnsucht nach jenem kindlichen Freudenereignis. Beim Durchblättern verfing sich die Wehmut dann nicht an den konservierten Augenblicken eines Strandurlaubs oder einer Geburtstagsfeier, sondern einzig an jenen zuweilen bühnentauglich arrangierten Szenarien, die Christbaumglanz, Bescherungsglück und Familiengeborgenheit unwiederbringlich eingefangen haben. Eine private Kostbarkeit, die fast jeder bewahrt und immer gerne hervorholt, der eben noch über das gute alte Fotoalbum verfügt, wie eine Auswahl von Weihnachtsbildern anrührend zeigt, die uns SZ-Leser unterschiedlicher Generationen für eine Seite in dieser Ausgabe anvertraut haben.

Über die private Wertschätzung hinaus gewinnen diese Weihnachtsfotografien zudem zunehmend an dokumentarischem Charakter. Ungewollt zeichnen sie das Kolorit der jeweiligen Jahrzehnte, geben Auskunft über damalige Moden, gleich ob es nun Baumschmuck, Kleidungsstil oder die Art der Geschenke ist. Was sie aber noch kostbarer macht, ist der Umstand, dass sie Unikate sind, mit deren Verlust eine wertvolle Erinnerung, nicht selten ist es die erste in einem Leben, verloren gehen würde. Kurz: An diesen Fotos haftet all die wunderbare Patina, die die digitale Fotografie in ihrer Werbung verteufelt: "Entwickelte Fotoabzüge sind bekanntermaßen von Abnutzung betroffen. Das muss nicht mal der berühmte verschüttete Kaffee über dem Buch sein. Beim Blättern hinterlassen die Finger Fettrückstände, Seiten werden geknickt und das Sonnenlicht bleicht die Fotos über die Jahre aus." So wird wohl auch das gute alte Weihnachtbild der Nüchternheit der schönen neuen Welt anheimfallen.

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