Despoten und Egomanen gibt's genug auf dieser Welt. Da hätten wir diesen Milliardär in den USA oder den Mann mit Schnauzbart in Ankara, um nur zwei zu nennen. Aber dieser Herr mit der Strickjacke, dem schlohweißen Haar und der Lesebrille sieht so gar nicht aus wie ein Despot. Gut, als ihm die Debatte über den Ausbau der Ganghoferstraße zu entgleiten droht und sich ein paar Stadträte in die Höhe von Bordsteinkanten verbissen haben, da würgt er sie ab - eine Geste und ein strenger Blicks genügen und alle sind artig. Und doch bleibt der Ton des Respekt einflößenden Herrn, der vorne sitzt, stets verbindlich und kollegial.
Wer ist dieser Herr, der am Mittwoch unter den interessierten Blicken zweier Zuschauer die Sitzung des Verkehrsausschusses im Fürstenfeldbrucker Rathaus mit den kryptischen Worten eröffnet hat: "Ich hoffe, dass ich's noch kann?" Weißes Haar mit Seitenscheitel? Da scheidet der zweite Bürgermeister Erich Raff mangels Masse schon mal aus. Dritte Bürgermeisterin Karin Geißler kann es auch nicht sein, zumal sie im fernen Neuseeland urlaubt.
Verwirrung herrscht ganz offensichtlich auch im Gremium. "Wie soll man Sie denn jetzt ansprechen?", fragt ein etwas ratlos wirkender Dieter Kreis von der ÖDP, "sehr geehrter Herr oder lieber gleich Großer Vorsitzender?" Großer Vorsitzender. Ein Schaudern zieht sich durch die Reihen der Stadträte. Mao Zedong, Großer Vorsitzender, Chinas Großer Steuermann, Großer Sprung. Puh. Despot. Der Herr vorne winkt ab. Ja doch: Er gehört auch dem Kulturausschuss an. Mit Kulturrevolution aber hat er nichts am Hut. Und mag er heute auch in zentraler Position sitzen, das "Reich der Mitte" liegt woanders. "Ihr könnt mich Franz nennen, so wie sonst auch", verkündet er lapidar, "wegen mir auch Herr Neuhierl". Hardy Baumann von der BBV geht noch einen Schritt weiter, probiert es mit "Lieber Franz". Klingt gar nicht nach Tyrann.
Und richtig: Hier vertritt nur ein Freier Wähler und früherer dritter Bürgermeister als Stadtratältester die beiden Bürgermeister. So abwegig wäre das mit dem Großen Vorsitzenden aber auch wieder nicht: Franz Neuhierl misst vom Scheitel bis zur Sohle 1,98 Meter. Der 18 Zentimeter kleinere Mao Zedong hätte neben ihm gewirkt wie der Kleine Vorsitzende.