Mitten in Fürstenfeldbruck:Befreit aus der Knechtschaft

Warum die Versteinerung des Gartens der ehrliche Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung ist

Von Christian Lamp

Als ästhetische Todsünde wird vom Kreisverband für Gartenbau die geradezu wuchernde Form des Steingartens empfunden und dessen Verbreitung als "beängstigende Dynamik" angesehen. Was für eine Unsitte, dass immer mehr Gärten verschandelt werden durch die kalte Geröllwüste, so geht die Anklageschrift. Dem flanierenden Beobachter gefällt das gar nicht, sein Auge vermisst das Bunte, das ihm sonst angeblich aus den blühenden Gärten von Fürstenfeldbruck entgegenleuchtet.

Die Entrüstung als Parteinahme für die Natur lädt allerdings zur Reflexion ein. Die Vehemenz erstaunt. Beinahe drängt sich der Verdacht auf, die Kritik am Steingarten möchte über Verdrängung hinwegtäuschen. Ist nicht der gehegte Garten das domestizierte Stück Restnatur, das die Beherrschung der Natur symbolisieren soll? Zumal er so nur für den kleinbürgerlichen Lebensstil gelten kann. Der Stadtbewohner hat in der Regel keinen Garten, und die Herrschaften auf ihren Anwesen kaufen sich freilich die Gartenpflege.

Aber dem Steingartenkritiker kommt es explizit auf die sich ihrer Gärtnerpflicht verweigernden Vorstädter an. Seine Mahnung gilt der Weigerung, seine vor dem Arbeitsalltag mühsam gerettete Freizeit auch noch mit der Plackerei des Unkrautjätens oder Rasenmähens zu vergeuden. Sein Kritik gilt der Weigerung, sich permanent mit unzähligem Getier herumzuschlagen, das sich im blühenden Garten tummelt.

Der natürliche Garten, der dem Kritiker vorschwebt, so scheint es, ist sein Bild einer heilen Natur, das er gegen die Betonwüste der bösen Verstädterung in Stellung bringt und mit dem er sein Unbehagen an der Urbanität ausdrückt. Dabei könnte die Kritik auch eine ganz andere sein und die Knechtung am eigenen Garten entlarven. Wer gärtnert, hat keine Zeit für anderes. Der Eigentümer des Steingartens dagegen bekennt sich letztlich zur fortschreitenden Zivilisation, indem er die dazu notwendig beherrschte Natur einfach draußen sein lässt.

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