Mitten in Fürstenfeldbruck:Analoge Jugend, digitale Politik

Wenn Redezeit begrenzt werden soll, wird gern auf die gute alte Schachuhr zurückgegriffen.

Von Stefan Salger

Wie die Jugend und damit der Wähler von spätestens morgen so tickt - das interessiert Politiker natürlich. Deshalb hatten am Sonntagabend alle Stadtratsfraktionen Vertreter zur Podiumsdiskussion des Jugendrats entsandt. Obwohl man doch bereits weiß: Die Jugend fährt voll auf Smartphone, Social Media und so Sachen ab. Mit analoger Technik braucht man ihr nicht zu kommen. Und dann das: Um die Redezeit auf jeweils ein oder zwei Minuten zu begrenzen, ticken vor jedem Diskussionsteilnehmer gleich zwei analoge Uhrwerke vor sich hin. Die hat der Jugendrat dort platziert. Man erkennt weiße Ziffern und zwei Druckknöpfe.

Wunderwerke der Mechanik: Dass die eingestellte Zeit abgelaufen ist, wird durch ein kleines rotes Hebelchen signalisiert, das vom großen Zeiger nach oben gelupft und dann fallen gelassen wird. Die Dinger kennt man noch aus Zeiten, als man auf schwarz-weißen Fernseh-Röhrenbildschirmen Garri Kasparow beobachten konnte, wie er Dauerkonkurrent Anatoli Karpow Stunde um Stunde beharkte und letztlich niederrang. Bei der Schach-Weltmeisterschaft standen 1984/85 noch zwei Wimpel der UdSSR auf dem Tisch.

Die Brucker Parteien oder Gruppierungen haben Vertreter entsandt, die in Relation zum Fraktionsschnitt als total jugendlich durchgehen (abgesehen von Andreas Ströhle, dem es nicht gelingt, den Altersschnitt seiner Partei zu unterbieten - ist er doch der einzige Pirat im Stadtrat). Die Polit-Jungspunde jedenfalls kommen mit der analog tickenden Technik gar nicht zurecht. Die macht, was sie will.

Als Andreas Lohde von der CSU ausholt zu einer glanzvollen Rede, da will das rote Hebelchen partout nicht mehr fallen. Also zückt Jugendreferent Florian Weber von der BBV-Fraktion sein Smartphone und stellt nun für alle den jeweiligen "Handyalarm" ein. Diesmal funktioniert die Technik. Als Lohde über eine Frage aus dem Publikum kurz nachdenkt und dann anhebt zur fulminanten Antwort, ist die Zeit auch schon abgelaufen: "Beim Eisstadion warten wir auf Ideen der Vereine und . . . rrrringgg!!! . . . danke."

Der Berichterstatter würde zur nächsten dreistündigen Sitzung des Finanzausschusses gerne einen solchen Redezeitbegrenzungsalarm-Apparat mitbringen. Dumm nur, dass er kein Smartphone besitzt. Und bei der Schachuhr aus dem Keller würde wahrscheinlich auch das rote Hebelchen hängen bleiben.

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