Mitten in Eichenau:Seherische Fähigkeiten

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Die Menschen wollten schon immer in die Zukunft schauen. Im Eichenauer Rathaus gibt es welche, die das können

Von Erich C. Setzwein

Die ersten Tage des Jahres sind ruhig und spannend zugleich. Ruhig deswegen, weil die Schulen noch im Winterferienschlaf, die Werkstätten fast verwaist, die Büros unterbesetzt sind, weil sich die Menschen auf die vor ihnen liegenden zwölf Monate gemächlich einzustellen pflegen. Es ist die Zeit, in der Astrologen in Print und Digital ihre Voraussagen machen und einem Horoskope die ganzen schönen Planungen fürs neue Jahr vermiesen können. Sterndeuter haben in diesen Tagen viel zu tun, so wie vermutlich auch vor 2016 Jahren, als sie einen dubiosen staatlichen Auftrag erhielten. Der Erfolgsautor Matthäus berichtet davon, wie Herodes die sowohl astronomisch als auch astrologisch Erfahrenen beauftragte, den Himmelszeichen zu folgen und für ihn den Konkurrenten aufzufinden. Und ein paar Absätze weiter (Mt 2,13) schreibt der Autor noch von der Vision eines gewissen Josef, der die Gefahr durch Herodes vor Augen, mit Frau und Kind ins Nachbarland emigriert. Wie die Geschichte schließlich ausgeht, ist hinlänglich aus dem Bestseller, an dem auch Matthäus mitgewirkt hat, bekannt.

Ähnlich seherische Fähigkeiten scheinen auch Mitarbeiter im Rathaus Eichenau zu besitzen. Sie arbeiten zwar nicht an einem so erfolgreichen Werk wie der Bibel, aber sie tragen Texte zu amtlichen Bekanntmachungen bei, die in digitalen Zeiten auch Ewigkeitscharakter haben können. In den gemeindlichen Mitteilungen stehen, wie in Stein gemeißelt, so wichtige Nachrichten, wie etwa die Änderung von Bebauungsplänen. Die an sich recht unspektakulären Vorgänge, die normalerweise höchstens ein paar Behörden und noch ein paar Anwohner interessieren, sind höchst demokratisch, weil daran alle Bürger des Ortes teilhaben können. Jeder kann sagen, was ihm passt oder nicht, ob es logisch klingen würde oder einfach nur Blödsinn wäre. Alles wird vom Gemeinderat behandelt und beraten und beschlossen. Im Eichenauer Amt nun hat der Mitteilungsblatt-Autor in den Tagen vor Weihnachten wohl auch einen Stern leuchten gesehen und im Mitteilungsblatt vom 24.12. über den Beschluss des Gemeinderats vom 22.12. zum Bebauungsplan für den Edeka-Supermarkt geschrieben. Ähnlich wie die Hirten in Bethlehem seinerzeit haben sich einige Eichenauer über diese Verkündigung gewundert, als sie das Mitteilungsblatt am 21.12. in ihrem Briefkasten fanden.

© SZ vom 05.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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