Mitten im Landkreis:Krise, Mond und Telefon

In zwei abgeschotteten Büros im Landkreis sitzen zwei Menschen hinter ihren Fernsprechern. Ihr Ziel: Eine große Krise zu verhindern. Das weckt Erinnerungen an den Kubakonflikt

Kolumne von Stefan Salger

Die Szenerie, die man sich aufgrund der dürren Nachrichtenlage nur zusammenreimen kann, ist bedrohlich. Sie riecht nach Krise. Eine Person irgendwo im Landkreis in einem eilends eingerichteten Büro, abgeschirmt von kahlen Wänden. Auf dem Schreibtisch ein Telefon. Andernorts muss es einen ähnlichen Tisch mit einem ähnlichen Telefon geben, darauf lässt eine öffentliche Verlautbarung schließen. Dahinter ein Mann aus dem anderen politischen Lager. Nur ein paar Kilometer entfernt - gefühlt aber sind es Lichtjahre. Beide Personen sind sich ihrer Legitimation durch das Volk gewiss. Aber sie sprechen nicht miteinander. Es herrscht Funkstille.

Natürlich schießen einem diese Bilder durch den Kopf: Kubakrise. Kalter Krieg. Roter Knopf. Rotes Telefon. Hier die Weltmacht USA, dort die mit Atomraketen bis an die Zähne bewaffnete Sowjetunion. Die lange Leitung führt vom Kapitol über London, Kopenhagen, Stockholm und Helsinki direkt in den Kreml. Als 1967 der Sechstagekrieg ausbricht, klingelt es zunächst im Pentagon, dort sitzt man versehentlich auf der Leitung. Auf Drängen des sowjetischen Ministerpräsidenten Alexei Kossygin wird Präsident Lyndon B. Johnson geweckt. Dramatisch. Die Apokalypse bleibt der Welt durch den bilateralen Dialog erspart. Nur deshalb kann zwei Jahre später Neil Armstrong seinen Fuß auf den Mond setzen und sagen: "Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit."

Der bange Blick schweift über den Landkreis. Wiederholt sich da gerade Geschichte? Auch dort geht es um Krisendiplomatie. Doch eine Verbindung zwischen den beiden Telefonen und eine lange Leitung über London, Kopenhagen, Stockholm und Helsinki sucht man vergeblich. Hier die CSU-Wahlkreisabgeordnete Katrin Staffler in ihrem Fürstenfeldbrucker Wahlkreisbüro. Dort SPD-Bundestagsabgeordneter Michael Schrodi im Olchinger Wahlkreisbüro. Sie suchen das Gespräch mit dem Bürger. Beide haben eine Hotline eingerichtet in diesen unsicheren Zeiten, in denen Jamaika in stürmischer See versunken ist. Staffler und Schrodi bieten dem Bürger, der ja falsch gewählt hat, Seelenmassage an.

Grabesruhe. Niemand ruft an. Furchtbar. Vielleicht sollten Staffler und Schrodi mal Nummern austauschen. Eine kleine große Koalition, sie wäre ein kleiner Schritt für zwei Menschen.

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