Mein Tag:Ausstand im Treppenhaus

Mein Tag: Hellmut Onder, Direktor des Amtsgerichts.

Hellmut Onder, Direktor des Amtsgerichts.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Hellmut Onder, Direktor des Amtsgerichts, geht in Pension

Von Ariane Lindenbach

Viel Aufhebens will Hellmut Onder nicht um seinen Abschied aus dem Berufsleben machen. Doch als langjähriger Direktor des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck ist er auch pflichtbewusst. Und so nimmt sich der 65-Jährige drei Monate nach seinem tatsächlichen Weggang und zwei Tage vor der offiziellen Verabschiedung die Zeit für ein Gespräch mit der Presse. Denn an diesem Donnerstag gibt es in der Polizeifachhochschule eine feierliche Amtsübergabe, bei der Onders ) Nachfolger Klaus Brandhuber eingeführt wird. Nur eine Bitte hat er: Der Bericht solle möglichst dezent und unauffällig sein. Irgendwie passt das gut zu dem Juristen, der selbst immer dezent auftritt. Und dabei dennoch eine gewisse Autorität ausstrahlt.

Der Pensionist kommt in Jeans und ohne Krawatte, der Drei-Tage-Bart verdeckt teils das leicht gebräunte Gesicht. Er komme gerade von einer zweiwöchigen Wanderung auf dem Jakobsweg in Spanien mit zwei Freunden, berichtet Onder tiefenentspannt. Und erinnert sich, wie er am 1. Oktober 1998 in Fürstenfeldbruck angefangen hat. Davor hatte er "sieben Jahre, vier Monate und 22 Tage" in der thüringischen Grenzstadt Sonneberg gearbeitet. Ursprünglich sollte das nur ein elfmonatiger Einsatz kurz nach der Wende sein. Doch Onder, der ursprünglich einmal wie sein Vater Medizin studieren wollte, dann aber sein Talent fürs Argumentieren entdeckte,

fand Gefallen an der Aufbauhilfe Ost und verlängerte mehrfach - immer in Absprache mit seiner Frau, die mit den Kinder in Eichenau geblieben war. Dort in Thüringen übernahm er erstmals, wenn auch nach anfänglicher strikter Weigerung, den Posten des Amtsgerichtsdirektors. Als er dann Ende der Neunzigerjahre von der vakanten Stelle in Fürstenfeldbruck erfuhr, bewarb er sich und hatte Erfolg - obwohl er damals das Amtsgericht Fürstenfeldbruck nur dem Namen nach kannte.

Der Anfang in Bruck sei nicht ganz leicht gewesen, habe man sich doch lieber eine Hausbesetzung gewünscht als einen Chef von außen, resümiert der 65-Jährige. Doch mit seiner dezenten wie bestimmten Art, einem guten Gespür für Zwischentöne und dem feinen Sinn für Humor hat Onder sich offensichtlich zu einem beliebten Chef entwickel. Zu seinem inoffiziellen Ausstand im Januar im Treppenhaus des Amtsgerichts jedenfalls trugen seine Mitarbeiter liebevoll selbst geschriebene Sketche und Lieder vor. Der Scheidende selbst betonte in seiner Abschiedsrede - ganz seiner Art entsprechend - die Leistungen seiner Mitarbeiter und Kollegen, ohne die er es nicht geschafft hätte, 16 Jahre Direktor in Bruck zu bleiben.

Seit 1998 hat sich das Amtsgericht verändert. Als Onder kam, gab es dort eine Frau und zehn Männer als Richterkollegen. Inzwischen sind dort sechs männliche und neun weibliche Richter beschäftigt, deren Altersdurchschnitt deutlich unter dem von vor 16 Jahren liegt. Die Entwicklung spiegle den Strukturwandel wider, inzwischen würden in die lange Zeit männlich dominierte Juristerei immer mehr junge, talentierte Frauen nachkommen, erläutert Onder. Als gravierendsten Einschnitt seiner Brucker Amtszeit nennt er jedoch "den Wandel von einem offenen Gericht, wo jeder reinkommen konnte". Womit er die verschärften Sicherheitsmaßnahmen an bayerischen Gerichten nach dem tödlichen Schuss auf einen Staatsanwalt am Amtsgericht Dachau 2012 meint. Doch die Notwendigkeit sah er ein, die Anordnungen setzte er um.

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