Mehr als 30 Angehörige anwesend:Mahnung für die Zukunft

Bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer und Angehörigen des Olympia-Attentats 1972 warnen alle Redner vor den Bedrohungen durch den Terrorismus und appellieren an die liberale und freiheitliche Gesellschaft, sich davon nicht beeindrucken zu lassen

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

"David Berger. Ze'ev Friedman. Eliezer Halfin." Mit kräftiger, gesenkter Stimme liest Landrat Thomas Karmasin die Namen der Opfer des Olympiaattentats von 1972 vor. " Amitzur Shapira. Kehat Schor. Mark Slavin." Wie Nadelstiche treffen sie auf die Ohren der Anwesenden.

"Andrei Spitzer. Yakov Springer. Yossef Gutfreund". Nach jedem Namen macht Karmasin eine kurze Pause, auch vor dem letzten, dem des getöteten Polizisten Anton Fliegerbauer. Das Publikum, das Karmasin so betroffen zuhört, besteht nicht wie in den meisten Jahren vor allem aus einer Handvoll lokaler Würdenträger. Nein, an diesem 5. September sind anlässlich des 45. Jahrestages der furchtbaren Ereignisse auch mehr als 30 Angehörige gekommen, um an der Gedenkfeier teil zu nehmen. Einige von ihnen sind sogar zum ersten Mal überhaupt hier.

So wie Johnathan und Snir Shaman, Enkel des getöteten Ringer-Kampfrichters Yossef Gutfreund. Vor der Veranstaltung, die an der Gedenkstätte vor dem Haupttor des Fliegerhorsts statt findet, sind sie gemeinsam mit den anderen Angehörigen über das Gelände geführt worden, zum Tower. Es habe sie beeindruckt, wie intensiv die Erinnerung an ihren Großvater und die anderen hier in Deutschland gepflegt werde. "Das erste Mal hier zu sein, an dem Ort, an dem er seine letzten Augenblicke gelebt hat, das ist schon überwältigend", sagen die beiden.

Mehr als 30 Angehörige anwesend: Im Hintergrund sind die Fotos der Opfer zu sehen.

Im Hintergrund sind die Fotos der Opfer zu sehen.

(Foto: Voxbrunner Carmen Mittelstetten)

Dass dieser Besuch der vielen Angehörigen an dem Ort, an dem die Geiseln gestorben sind, keine Selbstverständlichkeit ist, macht Karmasin deutlich. "Wir haben großen Respekt vor dem Mut, der Kraft und der Stärke, die Sie aufbringen, heute bei uns zu sein." Aber nur durch Teilnehmer werde das jährlich stattfindende Gedenken zu einem Ritual, das nicht zur Routine verkommt. Und weil Gedenkstätten ihre größte Wirkung am Ort des Geschehens entfalteten, verfolge man als Landkreis weiter einen Erinnerungsort im Fliegerhorst, so Karmasin. Er wolle, das betont der Landrat noch einmal, aber nicht nur ein Mahnmal, sondern auch einen Ort der Bildung, der gerade angesichts des allgegenwärtigen Terrors mehr als nötig sei.

Unterstützung bekommt er dabei von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München. Als "zweite Koordinate des Erinnerungsortes in München", der an diesem Mittwoch eingeweiht wird, bezeichnet sie die geplante Stätte in Fürstenfeldbruck. Mit drastischen Worten hält Knobloch dann ein Plädoyer für eine offene und liberale Gesellschaft. "Hass und Wahn dürfen wir nicht weichen. Das schulden wir den Opfern. Es ist unsere Pflicht als wehrhafte Demokraten, als Menschen, die nicht wollen, dass die Botschaft der Opfer des 5. Septembers 1972 vergessen wird". Mit den Erinnerungsorten gelte es, möglichst viele Menschen zu erreichen, um sie gegen ideologische Verblendung zu immunisieren und für die Ideale der freiheitlichen Demokratie zu werben. Noch deutlicher wird sie, als sie es als schändlich und schädlich bezeichnet, dass in Deutschland eine Partei mit nationalistischen, völkischen, rassistischen und antisemtischen Thesen und Personen in die Parlamente einzieht. "Das hat das Potenzial, unser Land verheerend zu verändern."

Mehr als 30 Angehörige anwesend: Israels Generalkonsulin Sandra Simovich im Gespräch mit Thomas Karmasin.

Israels Generalkonsulin Sandra Simovich im Gespräch mit Thomas Karmasin.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Diese Warnung verknüpft sie mit einer klaren politischen Forderung: Polizei- und Sicherheitskräfte sollen "alle zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten einsetzen dürfen, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten".

Auch die erst seit zwei Wochen amtierende israelische Generalkonsulin für Süddeutschland, Sandra Simovich, ist der Einladung nach Fürstenfeldbruck gefolgt. In ihrer Rede macht sie deutlich, dass die Ereignisse vor 45 Jahren nicht nur für Israel, sondern die ganze Welt ein Schock gewesen seien, der vieles verändert habe. "Seitdem ist der Terror immer weiter gewachsen." Sportveranstaltungen, Rockkonzerte und Weihnachtsmärkte seien Veranstaltungen, die Spaß bringen sollen und damit das Gegenteil von dem, was Terroristen wollen. "Wir dürfen nicht erlauben, dass sie uns so weit bringen, das Vertrauen ineinander zu verlieren", richtet sich Simovich an die Anwesenden. Neben den Angehörigen waren das eine Gruppe Studenten, Politiker, Angehörige der Bundeswehr, aber nur wenige Bürger, die auch ausdrücklich eingeladen waren.

Seine persönlichen Erinnerungen schildert Kultusminister Ludwig Spaenle, der als Kind in der Nähe des Olympiaparks gelebt hat. "Ich war damals elf Jahre alt und erinnere mich noch genau an das Geräusch des aufsteigenden Helikopters." Spaenle ist es auch, der sich schon lange für Gedenkorte in München und Fürstenfeldbruck einsetzt. Das Etappenziel in München ist nun erreicht. Also kann er nun seine volle Kraft für den Standort Fürstenfeldbruck einbringen.

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