Maisach:Tierschützer in Not

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Die Tierfreunde Brucker Land sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Das Problem verschärfen auch Städte und Gemeinden. Sie lassen sogar ihre Pflichtaufgaben von den Vereinen erledigen, kommen aber finanziell nicht ausreichend dafür auf

Von Heike A. Batzer, Maisach

Seppi kauerte in einem Garten in Unterschweinbach, die Augen geschlossen, die Gliedmaßen nahezu bewegungsunfähig. Seppi wurde übel zugerichtet, er hatte tiefe Schnittwunden an allen vier Pfoten und am Schwanz. Der Finder brachte den Kater zu den Tierfreunden Brucker Land. Die päppelten ihn zusammen mit Tierärzten auf. Ein besonders drastisches Beispiel, aber nur eines unter vielen. Wie auch jene 26 Kaninchen, die die Tierfreunde vor zwei Jahren, kurz vor Ostern, aus einem Privathaushalt aufnahmen. Weil die bald schon Nachwuchs bekamen, tummelten sich auf einmal 120 Kaninchen in dem Gehege der Tierauffangstation, die sich zwischen Maisach und dem Ortsteil Überacker befindet.

Tierschützer sind häufig die letzte Rettung - für Tiere wie Kater Seppi, aber auch für die Gesellschaft. Übernehmen sie doch freiwillig die Betreuung ausgesetzter, aufgefundener, ausgebüxter oder auch staatlich beschlagnahmter Tiere. Was passiert, wenn sie es nicht tun, demonstrierten die Tierfreunde Brucker Land jüngst in Olching. Neun Zwergkaninchen waren dort an einem Wertstoffhof gefunden und daraufhin zu den Tierfreunden gebracht worden. Die fuhren mit den Nagern ins Olchinger Rathaus und wiesen die verdutzten Verwaltungsmitarbeiter darauf hin, dass die Kommune laut Gesetz für die Versorgung von Fundtieren zuständig ist. Sie hoffe schon, sagt Heidi Minderlein, dass die Aktion "etwas bewirkt".

Heidi Minderlein ist seit elfeinhalb Jahren die Vorsitzende der Tierfreunde Brucker Land. Die Tierschutzarbeit in dem Verein ist ihr Lebenswerk. Aus gesundheitlichen Gründen wird sie im Juni die Vereinsführung abgeben. Nachfolger gibt es bislang nicht, weshalb Minderlein gerne eine Vollzeitkraft und zwei 450-Euro-Kräfte einstellen würde. Denn die Aufgaben sind von Ehrenamtlichen kaum mehr zu stemmen. "Die fachgerechte Unterbringung und Betreuung von Tieren erfordert ein hohes Maß an Professionalität", weiß man auch beim Deutschen Tierschutzbund, dem Dachverband der Tierschutzvereine.

Doch es fehlt das Geld. Die Tierschützer finanzieren sich über Spenden und Mitgliedsbeiträge sowie Gebühren für die Vermittlung der Tiere. Um die 35 000 Euro kommen so bei den Tierfreunden Brucker Land im Jahr zusammen. Was Städte und Gemeinden dazu geben, ist in der Regel nicht kostendeckend, obwohl die Betreuung von Fundtieren eine Pflichtaufgabe der Gemeinden ist. Diese delegieren die Aufgabe an die ehrenamtlichen Tierschützer, die über die entsprechenden Einrichtungen und Strukturen verfügen. "Die Verwaltungen brauchen eine Anlaufstelle", weiß auch Olchings Bürgermeister Andreas Magg (SPD): "Schließlich können die Tiere nicht im Rathaus aufgenommen werden." Die Tierfreunde Brucker Land baten deshalb in einem Brief an die Bürgermeister im Landkreis um eine jährliche Pauschale von 50 Cent pro Einwohner. Damit würden etwas mehr als 100 000 Euro zusammen kommen, eine Tierheimleitung in Vollzeit und zwei Tierpfleger auf 450-Euro-Basis könnten bezahlt werden.

Einen Platz im Maisacher Tierheim finden...

...Kaninchen,...

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(Foto: Günther Reger)

......Chinchillas,...

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(Foto: Günther Reger)

...Vögel wie dieser Nymphensittich...

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(Foto: Günther Reger)

...und natürlich viele Katzen, wie Heidi Minderlein, die Vorsitzende der Tierfreunde Brucker Land, zeigt. Derzeit sind 115 Kleintiere untergebracht.

Doch nur eine einzige von 23 Kommunen im Landkreis hat einen wie in den Richtlinien der Bundesländer empfohlenen Pauschalvertrag mit einem Tierheim abgeschlossen: Die 4000 Einwohner zählende Gemeinde Moorenweis zahlt dem Tierheim Lechleite in Friedberg 50 Cent pro Einwohner und damit 2000 Euro. Zustande gekommen ist der Vertrag, weil der Verein "Katzentatzen" aus dem Moorenweiser Ortsteil Eismerszell "uns eine Menge Katzen gebracht hat", um die sich die Gemeinde habe kümmern und in einigen Fällen eine bis zu 500 Euro teure Notfallbehandlung habe übernehmen müssen, erzählt Bürgermeister Joseph Schäffler (CSU). Er habe damals auch andere Tierschutzvereine "abgeklopft, aber alle waren voll". Mittlerweile seien die Fälle in Moorenweis weniger geworden. Schäffler weiß, dass es für die Kommune "ohne den Vertrag jetzt viel günstiger wäre".

Die meisten Kommunen zahlen pro Einzelfall. "Es ist gerechter aus Sicht der Gemeinden, wenn die Kosten berechnet werden", glaubt Emmerings Bürgermeister Michael Schanderl (FW), der als Kreisvorsitzender des Bayerischen Gemeindetags Sprecher der Landkreisbürgermeister ist. Die Gemeinde Maisach hat den Tierfreunden einst das alte Wasserhaus kostenlos zur Verfügung gestellt und zahlt für den Gebäudeunterhalt 225 Euro pro Jahr, darf dafür aber ihre Fundtiere umsonst abgeben. "Die Kommunen kommen dabei nicht so schlecht weg", sagt diplomatisch Kreisveterinäramtsleiter Hans-Werner Merk. Auch weil Merk das Maisacher Tierheim als "systemrelevant" bezeichnet hat, zahlt der Landkreis in diesem Jahr den Tierfreunden Brucker Land erstmals 7200 Euro. Der Landkreis bringt dort auch von ihm beschlagnahmte Tiere unter. "Die Tierfreunde sind für uns deshalb eine ganz wichtige Hilfe", sagt Merk.

In der Tierauffangstation in Überacker werden pro Jahr bis zu 400 Kleintiere aufgenommen: Katzen, Kaninchen, Chinchillas, Mäuse, Ratten, Meerschweinchen, Vögel, allerdings keine Hunde. Seit der Eröffnung der Station in einem ehemaligen Wasserhaus Ende 2007 wurden 3500 Tiere betreut. Dazu kommen Notfälle wie jüngst, als die Brucker Polizei in Überacker anrief und fragte, ob sich jemand um eine Katze kümmern könnte, die in der Wohnung ihres verstorbenen Herrchens ohne Versorgung hauste. Die Geschichte endete wie viele vor ihr, eine Helferin machte sich auf den Weg und holte die Katze ins Tierheim.

Doch genügend ehrenamtliche Helfer zu finden, ist schwierig. Außerdem nehmen Aufgaben und Aufwand stetig zu. Fragen wie jene, wer für Kostenerstattungen zuständig ist und wie die Kosten einzufordern sind, benötigen bisweilen juristisches Fachwissen. Immer mehr Tiere werden laut Deutschem Tierschutzbund abgegeben, weil sich die Tierhalter aus Geldmangel oder wegen eines Umzugs ihre Tiere nicht mehr leisten können oder auch, weil Tiere alt und krank sind. Diese sind dann besonders schwer zu vermitteln. Damit steigen auch die Verweildauer der Tiere in den Heimen und die damit verbundenen Kosten. Zwar gilt bei der Beschlagnahmung von Tieren ebenso wie bei Fundtieren, dass der Eigentümer schließlich für Unterbringung und Versorgung bezahlen muss, aber bei Haltern, denen die Tiere von Amts wegen entzogen werden, ist "oft nichts zu holen", weiß Hans-Werner Merk.

Die Tierschützer haben Mühe ihre Kosten einzutreiben. Manchmal auch, weil sie nicht im Detail auflisten, wofür sie aufkommen. Nicht alle Kleintiere oder Vögel seien immer gemeldet worden, weiß Minderlein - möglicherweise ein Fehler. Vielleicht wissen die Kommunen gar nicht um die tatsächliche Zahl der Tiere. "Das sind nicht viele", sagt Jochen Franz, Leiter des Ordnungsamtes in Germering. Er spricht von maximal zehn Tieren, die in Germering pro Jahr als Fundtiere auftauchten.

Eine einwohnerabhängige Unterstützung fordern will der Tierschutzverein Fürstenfeldbruck, von dem sich die Tierfreunde 2001 abgespalten haben, indes nicht. Sie könne sich aber gut vorstellen, ebenfalls beim Landkreis um einen Betrag um die 7000 Euro zu bitten, sagt Inge Maier vom Tierschutzverein der SZ. Denn auch ihr Verein werde möglicherweise irgendwann eine bezahlte Kraft benötigen.

Veterinär Merk arbeitet neben den Maisacher Tierfreunden und dem Brucker Tierschutzverein auch mit den Pfotenhelfern aus Puchheim und dem Gnadenhof auf Gut Streiflach bei Germering zusammen. Manchmal muss er Tiere aber auch außerhalb des Landkreises unterbringen. Dass es das eine Tierheim, wie er sagt, nicht gibt im Kreis Fürstenfeldbruck, macht die Sache kompliziert: Denn mit welchen Tierschützern sollten die Kommunen Pauschalverträge abschließen? Mit nur einem Verein? Mit mehreren?

"Es ist nicht so, dass wir das Tierheim nicht unterstützen wollen", sagt Jochen Franz von der Stadt Germering. Aber gleich mit 20 000 Euro - was in Germering bei 50 Cent pro Einwohner zusammenkommen würde? Franz hält eine "zentrale Förderung im Landkreis" für sinnvoller. Eine Unterstützung über den Kreishaushalt, den alle Kommunen mitfinanzieren, kann sich auch Bürgermeister Schanderl vorstellen: "Der Kreis ist eigentlich nicht zuständig. Aber auf Kreisebene gibt es auch Förderung bei anderen Dingen, etwa beim Frauennotruf." Auch Maisachs Bürgermeister Hans Seidl (CSU) ist der Meinung, man müsse "vielleicht das System ändern", etwa dahin gehend, dass jemand, der sein Tier abgibt, auch dafür bezahlen muss. Er fragt sich aber auch gleich, ob das wirklich praktikabel ist oder "ob die Leute die Tiere dann nicht gleich aussetzen"?

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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