Maisach:Seltene Gäste werden heimisch

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In Zusammenarbeit pflegen Heckrinder und ehrenamtliche Naturschützer die Streuwiesen und Moorflächen im Fußbergmoos. Seither haben dort Orchideen, gefährdete Vogelarten und Falter wieder einen Lebensraum gefunden

Von Heike A. Batzer, Maisach

Sie liegen im Gras und dösen. Es sieht aus wie Urlaub. Bisweilen steht eines der Rinder auf und fängt an zu grasen. Eines der beiden kleinen braunen Kälber braucht noch Milch. Es steht am Euter der Mutter und trinkt. Der große schwarz-braune Stier mit dem mächtigen Körper und den imposanten Hörnern liegt gemütlich wiederkäuend inmitten der Gruppe. Als letzter erhebt auch er sich. Es ist ruhig im Fußbergmoos, wo die neun Heckrinder ihre Heimat haben. Ein paar Vögel zwitschern an diesem Vormittag im August, zwei Reiterinnen mit ihren Hunden kommen auf dem Kiesweg vorbei, der vom Weiler Fußbergmoos nach Überacker führt, und ein SUV-Fahrer, der so zügig unterwegs ist, dass es ein wenig staubt.

Die Heckrinder lassen sich dennoch nicht stören. Sie schauen kurz auf, das ist alles. Seit mittlerweile 15 Jahren tun Heckrinder ihren Dienst als Landschaftspfleger im Fußbergmoos. 2002 hatte die Fürstenfeldbrucker Kreisgruppe des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) dort einen Stier und zwei Kühe jener Rasse angesiedelt, die genetisch gesehen eine Rückzüchtung des Auerochsen ist, der einst große Teile Europas beweidet hat und vor mehr als 300 Jahren ausgestorben ist. Zehn der insgesamt 15 Hektar des LBV-Schutzgebietes im Fußbergmoos werden von den Heckrindern beweidet. Dazu müssen sie immer mal wieder auf eine andere Weide umziehen, weil die vom LBV angekauften oder gepachteten Flächen nicht alle zusammenhängen.

Die Wildrinder sind robust und genügsam und können das ganze Jahr über draußen bleiben. Für den LBV tun sie einfach nur, was sie ohnehin machen würden: fressen. "Die mähen für uns und helfen, freie Flächen zu schaffen", sagt Uschi Anlauf vom LBV-Kreisverband. Die Heckrinder halten den Aufwuchs gering und sorgen dafür, dass die Landschaft nicht verbuscht und nicht wieder zuwächst. Das wiederum kommt anderen Tier- und Pflanzenarten zugute, die auf den abgeweideten Flächen Nahrung, Lebensraum und Rückzugsgebiet finden. Und so hat sich auch das Fleischfarbene Knabenkraut wieder im Fußbergmoos angesiedelt. Im Frühsommer waren mehr als 50 Exemplare der auf nährstoffarme Feuchtwiesen angewiesenen Orchideenart im Fußbergmoos zu sehen. Auch seltene Vogelarten wie der Baumpieper sind wieder regelmäßig da. Nach Auskunft der LBV-Kreisgruppe brüteten zuletzt fünf Paare des stark gefährdeten Vogels. Schon bald, nachdem das Heckrinder-Projekt begonnen hatte, hatte sich auch der Neuntöter auf den Weiden des Fußbergmooses eingefunden. Seither brütet der Singvogel mit dem martialischen Namen regelmäßig dort.

Seit einigen Jahren ist auch der Biber im Fußbergmoos aktiv. Von seiner "Arbeit", heißt es beim LBV, würden auch Erdkröten, Grasfrösche und Laubfrösche profitieren, die wiederum der Ringelnatter als Beute dienen. Die Schlange, die nicht giftig ist, kann mittlerweile so häufig wie seit Jahrzehnten nicht mehr beobachtet werden. Als "neuester Erfolg" der Naturschutzarbeit des LBV gilt das Vorkommen des Randring-Perlmuttfalters. Zwölf Exemplare des stark gefährdeten Schmetterlings hat LBV-Experte Gerald Fuchs in diesem Jahr beobachtet, als er zu Pflegemaßnahmen im Moos war. Gezielt auf die Suche nach dem schönen Falter hatte er sich nicht begeben, sondern ihn ganz nebenbei entdeckt: "Das sieht man so aus dem Augenwinkel. Aber das ist natürlich total erfreulich." In den vergangenen Jahren war die Art gerade mal als einzelnes Exemplar oder gar nicht mehr in der Gegend beobachtet worden.

Immer wieder stellen verschiedene Naturverbände das Maisacher Fußbergmoos auch bei Führungen vor. Die Menschen würden langsam beginnen, "sich auf die Natur zurückzubesinnen und vor allem auch die Natur vor der Haustür wiederentdecken", vermutet Uschi Anlauf. Ganz ohne menschliche Pflege aber kommt auch das Fußbergmoos nicht aus, denn ganz ohne Mahd "kommen jene Pflanzenarten nicht mehr hoch, die mehr Licht brauchen", erläutert die Biologin. Da die Arbeit der Heckrinder nicht ausreicht, müssen Ehrenamtliche des LBV zum Balkenmäher greifen.

In diesen Tagen steht nun die Spätsommermahd an, dafür sucht der Landesbund für Vogelschutz noch freiwillige Helfer, die das Mähgut zusammenrechen und abtransportieren (Sie können sich unter gerald.fuchs@lbv-ffb.de melden). Auf den Wiesen liegen bleiben kann das Grüngut nicht, denn durch die Mahd sollen den Flächen Nährstoffe entzogen werden, damit die Wiesen mager bleiben und weiterhin Refugium sein können für seltene Tier- und Pflanzenarten.

Die Heckrinder indes brauchen nur wenig Unterstützung. Sie sind widerstandsfähig gegen Kälte, Hitze und Krankheiten. Ein "Rinderdienst" des LBV schaut allerdings täglich nach dem Rechten und überprüft den Gesundheitszustand der Tiere, den Zustand des Elektrozauns und die Tränke. Im Sommer finden die Rinder alles, was sie brauchen, draußen auf der Weide, im Winter wird zugefüttert und auch ein Winterschutz für sie aufgebaut. Regelmäßig werden sie von einem Tierarzt kontrolliert.

Insgesamt bietet das LBV-Areal im Fußbergmoos Lebensraum für maximal zehn Rinder. Zwei Heckrinder mussten deshalb jetzt verkauft werden. Der LBV ist allerdings gerade dabei, weitere Flächen zu erwerben und so auch sein Schutzgebiet im Fußbergmoos durch den Zukauf von weiteren zwei Hektar auf insgesamt 17 Hektar zu erweitern. Schon seit 1984 kümmert sich der Vogelschutzbund darum, das Niedermoor bei Maisach als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu erhalten.

© SZ vom 26.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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