Maisach:Gaumentest

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So wie vor 8000 Jahren: Tom Huber (vorne) vom Historischen Verein Fürstenfeldbruck braut in Maisach vor Publikum Steinzeitbier. (Foto: Günther Reger)

Der Historische Verein präsentiert wieder sein Steinzeitbier. Allein eine Frage treibt die Besucher um: Wonach schmeckt es eigentlich?

Von Karl-Wilhelm Götte, Maisach

Im Innenhof der Maisacher Brauerei gruppieren sich Frauen und Männer um ein loderndes Feuer. Dort sind Uli Bähr und Tom Huber vom Historischen Verein aus Fürstenfeldbruck tätig. Bähr schenkt vorbereitetes "Steinzeitbier" in Schnapsglas großen Plastikbechern aus und Huber hält ein Holzfeuer mit Steinen am Brennen. "Wir sind eine Arbeitsgruppe mit Lust am Experimentieren und an experimenteller Archäologie", sagen Bähr und Huber übereinstimmend. Seit zwei Jahren arbeiten sie an ihrem Projekt Steinzeitbier. Es geht um den Nachweis, dass man bereits etwa 6000 vor Christus am Haspelmoor schmackhaftes Bier brauen konnte.

Das zum Kosten ausgeschenkte Bier hat eine gelbe Farbe. Optisch sieht es aus wie Most oder wie dickflüssige Limonade. Der Selbstversuch ergibt, dass man einige Gaumenfantasie benötigt, um die Flüssigkeit unter Bier einzuordnen. "Mit dem herkömmlichen Bier hat es sicher nichts zu tun", sagt eine Frau, die gerade gekostet hat: "Trinken kann man es aber schon." Nur zwei Tage hat das gelbe Steinzeitbier gegärt. "Eine Woche ist üblich, aber das Steinzeitbier gärt schneller", meint Bähr. Die alkoholische Gärung ist ein enzymatischer Prozess, bei dem Kohlenhydrate, hauptsächlich Glukose, also Zucker, in Trinkalkohol umgewandelt wird. Zum Bierbrauen ist Getreide notwendig. Gab es das schon in der Steinzeit? Offenbar ja. Der Historische Verein beruft sich auf einen Fund von Weizenpollen in einer Torfschicht von 6000 vor Christus im Haspelmoor. Irgendjemand müsse damals zumindest gelegentlich Weizen angebaut haben. "Wir vermuten: um zu brauen", so Bähr und Huber.

Für die Besucher stellen sie die vermutete damalige Prozedur noch einmal nach. Die vom Dauerfeuer erhitzten vier Steine werden in einen Bottich mit Wasser gelegt. Das dann kochende Wasser wird auf etwa 50 Grad abgekühlt. Uli Bähr misst das mit einem Thermometer: "Die Steinzeitmenschen haben die passende Temperatur mit den Händen erfühlen können." 50 Grad werden zum Maischen der Gerste benötigt. Die Enzyme im Korn werden in Zucker umgewandelt. Tom Huber nimmt an, dass in der Steinzeit ein Holztrog zum Bierbrauen hergenommen wurde. Vielleicht wurde das Wasser auch in einer Lehmgrube erhitzt. Uli Bähr rührt die Gerste ins heiße Wasser ein. "Sie wird langsam flüssig", stellt er fest. Dann macht er mit einer Bierspindel eine Alkoholmessung. Etwa acht Prozent misst er. "Das hängt vom Vergärungsgrad ab", erklärt Bähr. Als Hefe verwendet er Bäckerhefe. Wahrscheinlich haben die Steinzeitbrauer für den Gärprozess Pilze verwendet oder Früchte. "An Alkohol kam keiner vorbei", sagt Tom Huber.

Währenddessen sind weitere Bierkenner erschienen, die das Steinzeitbier probieren und Fachwissen austauschen. "Es schmeckt nach Bier", meint ein Ehepaar aus Puchheim übereinstimmend. Hobbybrauer Thomas Huber aus Maisach will alles ganz genau wissen. Der Elektroingenieur braut seit drei, vier Jahren sein Bier selbst. Astrid Hansen ist nach dem Stamperl Probebier etwas skeptisch. "Wenn ich blind wäre, würde ich es wohl nicht als Bier schmecken." In Norwegen, Estland, Finnland und Kärnten hat die Arbeitsgruppe des Historischen Vereins herausgefunden, dass Bier in der Steinzeit nach ähnlichem Verfahren gebraut wurde. Bayern war ja einst römisch und galt jahrhundertelang als Weintrinkerland. Erst vor 500 Jahren, wenn man das Reinheitsgebot als Ausgangsdatum nimmt, wird in Bayern Bier gebraut. Der Historische Verein ist mit dem Steinzeitbier und dessen Erforschung noch längst nicht fertig. "Wir suchen ständig interessierte Menschen, die mitmachen", fordert Bähr zur Mitarbeit auf. Auch hätten sie immer noch keine Mühle zum Getreidemahlen.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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