Lebensmittel-Messe :Erzeuger ohne Verbraucher

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Äpfel aus der Region. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Über Ernährung diskutierten auf dem Puchheimer Volksfest Politiker, Unternehmer und Lobbyisten. Sie wollten wissen, wie sie den Menschen die große Auswahl an regionalen Produkten näher bringen könnten - blieben aber vorerst unter sich.

Von Erich C. Setzwein, Puchheim

Ist lokal besser als regional? Wo werden die Grenzen gezogen, reicht ein 50-Kilometer-Radius? Und ist "bio" wirklich erstrebenswert? Fragen wie diese und andere zum Thema Ernährung hat am Dienstag eine Runde aus Firmenvertretern, Politikern und Lobbyisten beim "Meet and Greet" auf dem Puchheimer Volksfest beschäftigt. Über regionale und ökologische Ernährung im Landkreis Fürstenfeldbruck sollte diskutiert werden - allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Diese soll aber bei der Neuauflage der Ernährungsdebatte im kommenden Jahr beim Puchheimer Volksfest mitreden dürfen. So sieht zumindest der Plan von Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) aus, den er am Ende der Veranstaltung kundtat.

Diskutiert wurde auch mit Thomas Braumiller (von links), Michael Dippold, Josef Unglert, Norbert Seidl, Georg Huber, Jochen Mörz und Michaela Bock. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Eine größere Öffentlichkeit wird notwendig sein, um all das unter die Leute zu bringen, was Vereine wie Slow Food oder der neue Ernährungsrat des Landkreises an Informationen und Tipps rund um das Thema Lebensmittel anzubieten haben. Denn das Interesse an sauber und regional erzeugten Lebensmitteln, da waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion mit dem Moderator Seidl einig, muss erst noch geweckt werden. Die Wege, die zum Verbraucher eingeschlagen werden können, sind dabei höchst unterschiedlich, wie der Vergleich der Modelle von Direktvermarktung, Bauernmarkt und Unser Land zeigt.

Für Georg Huber, den Vorsitzenden des Bauernverbandes im Landkreis Fürstenfeldbruck, haben nur wenige landwirtschaftliche Betriebe mit der Direktvermarktung auf ihrem Hof eine Chance. Auch wenn die Betriebe im Speckgürtel der Landeshauptstadt München sicher eine Käuferschicht erreichen, die Wert auf den Ab-Hof-Verkauf und die besonderen Produkte legten. Ähnlich sieht das Josef Unglert, der Vorsitzende der Bauernquelle, die den Bauernmarkt in Fürstenfeldbruck betreibt. "Es wird immer eine Nische sein", sagte der Puchheimer. Das Gemeinsame an Direktvermarktung sei der direkte Kontakt zwischen Erzeuger und Verbraucher. Diesen gibt es nach dem Modell, das Unser Land seit Kurzem ausprobiert, allerdings nicht mehr. Michael Dippold von der Solidargemeinschaft erklärt, warum das für die Vermarktung regionaler Produkte gegründete Netzwerk nun mit dem Internetversender Amazon zusammenarbeitet. Der nach Dippolds Darstellung ohnehin schwierige Zugang zum Lebensmitteleinzelhandel mit Unser-Land-Produkten sei noch schwieriger geworden, seit es Tengelmann nicht mehr gebe und nur noch Rewe und das Ampereinkaufszentrum (AEZ) als Abnehmer zur Verfügung stehen. Mit Discountern habe man keinen Kontakt.

Der Ernährungsrat soll zunächst alle regional erzeugten Lebensmittel bekannter machen

Als im vergangenen Jahr Amazon Prime Now auf Unser Land zugekommen sei und verschiedene Produkte in sein Frischesortiment für den Münchner Markt aufnehmen wollte, hätten alle Solidargemeinschaften von Unser Land mehrheitlich für einen einjährigen Versuch gestimmt. Diese Neuausrichtung hatte unter anderem zum Austritt von Brucker-Land-Bäcker Max Wimmer geführt und öffentliche Kritik hervorgerufen. Dippold: "Wir hatten keinen Skandal." Die Produkte gingen nun zwei Mal in der Woche an den Frischedienst, dessen Lager sich an der Münchner Hopfenpost befinde, und würden von dort an die Besteller ausgefahren. Unser Land rechnet mit Daten: "Wir wollen wissen, wer unsere Produkte kauft", erklärte der Vorsitzende. "Wie bekommen wir die Jüngeren, die wir brauchen?"

Neben Kartoffeln wurden auf der Messe verschiedenste Produkte vorgestellt. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Dabei wird möglicherweise auch herauskommen, ob und wie viele Bio-Produkte bestellt werden. Nach den Worten von Bauernobmann Huber würden sich die Landwirte nach den Verbrauchern richten. Derzeit würden die Verbraucher aber noch mehr konventionell erzeugte Produkte kaufen. Huber wehrte sich gegen Vorwürfe, dass nur "bio" sauber produziert werde. Für die Agenda-21-Gruppe "Ernährung und Esskultur", die Michaela Bock vertrat, ist aber die ökologische Landwirtschaft das oberste Ziel. Der Ernährungsrat soll dabei helfen, dass zunächst alle regional erzeugten Lebensmittel bekannter gemacht werden.

"Mikromessen" wie die am Dienstag auf dem Puchheimer Volksfest könnten sich dafür eignen, den Besuchern begreiflich zu machen, aus welcher regional und auch ökologisch erzeugten Vielfalt sie wählen könnten.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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