Wintersport:Landsberieder Seilschaft

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Ein Besuch des einzigen Skigebiets im Landkreis zeigt, warum der Filz-Hang in der Kategorie "Eignung für Familien und Kinder" besser abschneidet als Aspen Mountain/Colorado und warum der 76 Jahre alte Liftbetreiber an der Talstation zurzeit besonders oft das Fenster hochschieben kann

Von Stefan Salger, Landsberied

Das Onlineportal Skiresort.de bewertet 5109 Wintersportgebiete rund um den Globus. Nehmen wir Aspen Mountain in Colorado/USA: Dreieinhalb von fünf möglichen Sternen. Nehmen wir Landsberied in Bayern/Deutschland: 1,5 Sterne. Wie ist diese Differenz zu erklären? Wir machen uns auf den Weg zum Filz-Hang in der 1442-Seelen-Gemeinde.

Es ist Mittwochnachmittag. Eine flirrend weiße Schneedecke hat sich übers Land gelegt. Die Sonne sticht vom blauen Himmel, das Thermometer zeigt drei Grad minus. Ideale Wintersportbedingungen. Es herrscht reger Betrieb, viele kleine und ein paar große Rennfahrer stehen oben auf dem Gipfel und stürzen sich auf zwei Brettern, auf Snowboards oder Schlitten an drei mächtigen Bäumen vorbei herunter ins Tal. In einer Disziplin brilliert das einzige alpine Skigebiet mit Lift des Landkreises mit vier Sternen: die Parkmöglichkeiten. Richtig, rund um die 26 Autos ist Platz ohne Ende. Da stört nicht mal das Cabrio-Iglu, dessen Baumeister offenbar lieber den Hang runtersaust als das Dach aufzusetzen. Nur einen mageren Stern gibt es jeweils für "Variationen der Abfahrten" und "Unterkunftsangebot direkt an der Piste". Wir rutschen die einzige Piste (blaue Kategorie) herunter zur einzigen Unterkunftsmöglichkeit und lassen dabei eine mit ein paar blauen und gelben Abwaschbürsten abgesteckte Slalomstrecke links liegen. Es ist eine zusammengezimmerte Holzhütte, unter deren Dach Skier mit Drahtseilbindung angenagelt sind. Da hängt eine Preisliste (35 Fahrten 10 Euro, eine Fahrt 70 Cent). Vor der auf 550 Meter gelegenen "Talstation" hilft der graubärtige Werner Drexler gerade einem Dreikäsehoch in den Liftbügel. Drinnen sitzt Dieter Schlederer auf einem altersschwachen Drehstuhl hinter einem kleinen Schiebefenster und verkauft Punktekarten. Für Bett und Tisch ist kein Platz, nur ein Radio , eine Knipszange, ein kleiner Elektro-Radiator und ein bisschen Werkzeug haben Platz. An Wochenenden wird es hier eng, dann werden durchs kleine Fenster Würstchen, Glühwein und Süßigkeiten herausgereicht. Das erklärt den einen Stern beim "Unterkunftsangebot". Weitere Erklärungen hat der 76-Jährige parat, der diesen Schlepplift seit mehr als drei Jahrzehnten betreibt. Er deutet an, warum den Besuchern die Sterne ziemlich schnuppe sind. Die kommen her, auch wenn es keine Schneekanonen und kein Flutlicht gibt und hier mit Après-Ski meistens der Heimweg rüber nach Landsberied gemeint ist. Im Forum des Online-Portals heißt es: " Eine feste Saison gibt es nicht, liegt Schnee so läuft der Lift, aber genau so schnell steht er auch wieder, wenn es taut." Dennoch sind die Leute hier froh, dass es so einen Schlepplift überhaupt gibt, der einen die 210 Meter nach oben zieht. Gerade sind vier Kinder aus dem Lift herausgepurzelt. Schlederer hält ihn an. Er ist gut drauf. Schließlich dauerte die vergangene Skisaison "nullkommanull Tage" und auch in diesem Winter lief es schlecht an. Nach vier mageren Jahren sind die Aussichten nun aber gar nicht so schlecht. Schlederer sitzt jetzt schon den achten Tag hier, mit dem Erlös bessert er seine Rente auf. Vormittags war er beim Zahnarzt, da wird noch eine saftige Rechnung ins Haus flattern. Bis vor zwei Jahren betrieb der Neuaubinger auch noch einen Skilift im Starnberger Ortsteil Leutstetten. Nach 40 Jahren war dort dann sein Pachtvertrag gekündigt worden, und jetzt bleibt eben noch Landsberied. Den abschüssigen Hang zwischen Bruck und Jesenwang hatte er entdeckt, als er mit seiner "Ente", einem Citroën 2CV, spazieren gefahren war. Drei Jahre lang nervte er den Landwirt, bis der ihm endlich den Grund verpachtete.

Die größte Herausforderung an der nicht sonderlich steilen Piste sind die drei mächtigen Bäume. (Foto: Johannes Simon)

Seitdem sitzt Schlederer, früher selbst ein passionierter Skifahrer, in seiner Hütte. Er begrüßt den 85 Jahre alten früheren Skilehrer Sepp, der hier Stammgast ist und zwei bis dreimal die Woche herkommt und so wunderschön den Hang herunterwedelt, oder er beobachtet die Kinder, die über die Sprungschanze sausen, die sein elfjähriger Enkel Maximilian gebaut hat. Genau dort hebt Lilly gerade ab. Sie ist acht Jahre alt, fährt schon seit fünf Jahren Ski, kommt aus dem nahen Babenried und hat um kurz nach 14 Uhr drei Freundinnen aus der 2b in Jesenwang mitgebracht. Die Mütter sind für den heißen Tee und die Brotzeit zuständig, für die Zeit der Pistengaudi werden die aber auf einen Spaziergang geschickt. Den Hang mit seinen 30 Höhenmetern fährt Lilly üblicherweise "Schuss runter". Für kleinere Ausrutscher ist das Quartett mit Helmen gerüstet. In Emilias Karte sind 25 Löcher gestanzt, für jede Abfahrt eine. Dabei hat es sie "zwei- oder dreimal" zerlegt, passiert ist dabei aber nichts. Lillys Mutter Tatjana Weis ist mit den Kindern einer Meinung: So ein Skigebiet mit Lift, gleich in der Nachbarschaft, das man nach der Schule eben mal schnell besuchen kann, ist schon toll. Da wird klar, warum Landsberied in der Kategorie "Eignung für Familien und Kinder" drei Sterne bekommen hat. Ätsch. Da hat Aspen/Colorado nur einen Stern.

Wenn es dunkel wird, schaltet Dieter Schlederer den Lift ab, denn Flutlicht gibt es hier ebenso wenig wie Schneekanonen. (Foto: Johannes Simon)

Geöffnet bei guten Bedingungen wochentags 14 bis 17 Uhr, Freitag bis Sonntag 9.15 bis 17 Uhr, Ferien 10 bis 17 Uhr; Schneetelefon 089/87 09 62.

© SZ vom 06.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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